Neulich haben wir eines der großen Barista-Credos auf den Prüfstand gestellt: das Vorwärmen des Filters vor dem Aufbrühen. Demnach ist es ein entscheidender Faktor, damit sich das Aroma in der Tasse optimal entfalten kann. Doch ist das wirklich so wichtig, wie immer geredet wird? Hier kommt unser Testbericht. Kleiner Spoiler: wir waren überrascht…
Es ist ein Ablauf, den Baristas schon gleich zu Beginn ihrer Theken-Karriere beigebracht bekommen: Filterpapier in den Filter einsetzen, Wasser kochen und dann in den Filter gießen und alles schön ausspülen, bevor man mit dem Kaffeekochen anfängt. Das sorgt dafür, dass das Material des Filters nicht zu viel Wärme absorbiert, wenn das heiße Wasser auf das Kaffeepulver trifft. Denn: für eine ideale Extraktion muss es heiß sein. Die Specialty Coffee Association (SCA) hat dafür in vielen Versuchen sogar ziemlich genaue Werte ermittelt, nachzulesen in ihren Protocols & Best Practices. Damit die Aromen ideal extrahiert werden, sollte das Wasser zwischen 92 und 96°C haben.
Den kalten Filter erst vorzuwärmen, klingt da also nach einem logischen Ansatz. Doch wie verhält es sich in der Praxis, in der es unterschiedlichste Filter in Größe, Gewicht und Material gibt? Muss man leichte Filter aus Acryl genauso vorwärmen wie schwere Filter aus Glas und Keramik? Und wie schlägt sich das im Geschmack nieder? Um das herauszufinden, haben wir die drei Filter verwendet, die wohl am häufigsten in den Küchen unseres Kaffee-Universums zu finden sind: Acryl, Glas und Keramik von der Firma Hario.
Der Test
Für einen aussagekräftigen Vergleich haben wir getestet, wie Kaffee schmeckt aus Filtern in Zimmertemperatur und aus vorgewärmten Filtern. Dabei haben wir festgestellt, dass es einen großen Unterschied in puncto Material gibt, ganz besonders bei Keramik. Und damit wollen wir auch beginnen.
Keramik
Für den Versuch haben wir auf unseren Keramikfilter von Hario der Größe 2 für eine bis vier Tassen zurückgegriffen. Mit knapp 400g ein kleiner Brummer unter den Filtern. Entsprechend viel Material kann hier Wärme schlucken. Das macht sich auch bemerkbar im Kaffee, der unten rauskommt: verwendet bei Zimmertemperatur – wir haben 20°C gemessen – misst der Kaffee knapp 68°C. Geschmackliches Fazit: leicht säuerlich. Warum das so ist, liegt auf der Hand: der Extraktionsprozess durchläuft 4 Phasen: sauer, aromatisch, süß, bitter. Ist das Wasser nicht heiß genug im Filteraufguss, bleibt die Extraktion auf dem ersten Schritt soz. stecken. Wird der Keramikfilter also nicht vorgewärmt, schluckt das kalte Material einen Teil der Hitze, die für eine gute Extraktion nötig ist. Das Ergebnis: der Kaffee schmeckt eher säuerlich.
Der Logik nach sollte das anders sein bei einem vorgewärmten Keramikfilter. Mit 150ml Wasser von 98°C kamen wir auf nur 32°C Materialtemperatur – das war uns zu wenig. Der Kaffee war geschmacklich zwar besser, aber immer noch eher säuerlich. Deshalb verdoppelten wir die Menge Wasser und brachten den Filter auf 52°C. Sicher wäre noch mehr drin gewesen, noch mehr Wasser wollten wir aber nicht verschwenden. Zumal das Ergebnis so ausfiel, wie wir es uns gewünscht haben: der Kaffee kommt deutlich wärmer heraus, geschmacklich deutlich aromatischer, runder, weicher im Körper und süßer. Die Extraktion kann so also die nötigen Phasen durchlaufen.
Glas
Für den Test mit einem Glasfilter haben wir ebenfalls die Größe 2 verwendet. Der eigentliche Filter ist vollständig aus Glas gefertigt, als Standfuß gibt es Ringe aus Kunststoff oder Holz, die man direkt auf Tasse oder Kanne setzt, oder man setzt den Filter ein in einen fancy Brewing-Ständer. Mit 170g ist der Glasfilter deutlich leichter als sein Kollege aus Keramik. Deutlich weniger Material also, das dem Wasser Wärme entzieht. Umso geringer auch die Unterschiede, was den Geschmack angeht. Kaffee gebrüht in einem Glasfilter von Zimmertemperatur 20°C kommt zwar immer noch etwas kühler heraus, als wenn man den Filter vorwärmt – auch hier waren es 52°C – der Unterschied im Geschmack war jedoch nicht so gravierend: aromatisch war sich der Kaffee in beiden Versionen überraschend ähnlich. Trotzdem sprechen wir uns für den vorgewärmten Filter aus, denn der Kaffee hatte in dieser Version ein kleines Bisschen mehr Körper und schmeckte runder.
Acrylglas
Mit 110g das Fliegengewicht unter den Filtern in unserem Test. Entsprechend sind seine Wände am dünnsten und somit am materialärmsten. Die Folge: dieser Filter aus hitzebeständigem Kunststoff zieht am wenigsten Wärme für den Extraktionsprozess ab bzw. ist am schnellsten aufgewärmt von unseren drei Filtern im Test. Entsprechend gering ist der Unterschied im Brühergebnis. Kaffee aus einem nicht vorgewärmten Acryl-Filter kommt verhältnismäßig heiß unten heraus, und man muss schon ziemlich gute Geschmacksnerven haben, um das kleine Bisschen mehr an Saurem herauszuschmecken im Vergleich zu Kaffee aus dem auf 50°C vorgewärmten Filter.
Fazit:
Unter dem Strich kommt das Barista-Credo vom Filter-Aufwärmen nicht von irgendwoher. Besonders bei schweren Filtern hat es seine Berechtigung. Zu viel kaltes Material entzieht dem Brühwasser die Wärme, die für eine optimale Extraktion nötig ist. Je leichter der Filter, desto weniger tragisch, wenn du einmal das Vorwärmen vergessen solltest oder wenn das aus irgendeinem Grund nicht geht. Das gilt auch für Filter aus Glas, wie wir überraschenderweise festgestellt haben. Bei Filtern aus Acrylglas kannst du sogar darauf verzichten.
Unser Testsieger ist das Modell aus Keramik. Geschmacklich überzeugt uns Kaffee daraus am meisten, er schmeckt runder und süßer. Einmal richtig durchgewärmt speichert es möglicherweise die Wärme am längsten und beeinflusst die Extraktion so evtl. am wenigsten. Wohlgemerkt ist das gemeckert auf hohem Niveau, denn geschmacklich war Kaffee aus den anderen Filtern auch gut gelungen.
Und um einem Missverständnis vorzubeugen: ein vorgewärmter Filter ist ein Teil, um ein gutes Brühergebnis zu bekommen – aber eben nur einer von mehreren. Bohnenqualität, Mahlgrad, Brühtechnik, Brühgeschwindigkeit, Wasserqualität etc. spielen auch eine Rolle. Und noch ein Tipp zum Schluss: wärme auch Kanne und Tassen vor. Dann kannst du den optimal extrahierten Geschmack noch länger erhalten.
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