Kaffee-Hospitant Gino aus Peru erzählt, wie Startups und Social Media das Kaffeeleben in Peru aufwerten, was er an der deutschen Kaffeekultur schätzt und warum er in Deutschland lernen will
Gino Pelaez Fundes gehört zu jenen, die man als stilles Wasser bezeichnen würde. Ruhig, freundlich, zurückhaltend. Wie bei stillen Wassern üblich, gibt es da aber etwas, das sich erst auf den zweiten Blick offenbart. Genauso ist es auch bei dem jungen Peruaner. Gino – 25 Jahre, blendendes Lächeln, pechschwarzes kurzes Haar, perfekt sitzender Seitenscheitel – ist der Sommer-Hospitant in der Murnauer Kaffeerösterei. Wenn er durch den Betrieb geht, macht er das still und unauffällig. Seine forschenden Blicke aber verraten Zielstrebigkeit und eine tiefsitzende Wissbegierde. Sie springen umher wie ein Gummiball, saugen Eindrücke auf wie ein Schwamm, und dann folgen durchdachte Fragen.
Gino besuchte die Kaffeerösterei im Rahmen eines Austauschprogrammes, initiiert vom Verein Ecoselva und der Kaffeemarke Pacha Mama. Die bayerische Kaffeerösterei ist eine der ersten Stationen in Deutschland, die er über ein Jahr hinweg besucht. Er will verstehen, wie eine Kaffeefirma funktioniert, denn er will selber eine gründen, bei ihm zuhause im Lima. Um möglichst viel mitzunehmen, kniet sich Gino deshalb richtig rein und absolviert fast jeden Tag das komplette Paket: am Vormittag Mitanpacken im Verpackungsbetrieb und Reinschnuppern in das Marketing, am Nachmittag geht es hinter die Theke im Kaffeehaus. Schnell kennt er sich aus, die Verpackungsleiterin teilt ihn bald bedenkenlos als zuverlässiges Mitglied der Crew in den Arbeitsplan ein. Praktische Nebenwirkung: als Gino vor einigen Wochen in Deutschland ankam, sprach er keine Silbe Deutsch, jetzt wechselt er nur noch selten ins Englische, wenn er etwas nicht ganz verstanden hat.
“Familienbetriebe in Peru sind Direct Trade in seiner besten Form”
Bei allem, was er hier tut, hat Gino immer seine Idee vor Augen, für die er seit Jahren schon brennt: es geht ihm nicht nur darum, irgendeine Kaffeefirma zu gründen. Gino will den familieneigenen Kaffee aus der familieneigenen Rösterei verkaufen. „Das klingt erst mal nicht so besonders. In Peru kommt es schnell vor, dass man irgendwen in der Familie hat, der Kaffee anbaut. Familienbetriebe, die den eigenen Kaffee verkaufen, sind dort aber nicht üblich“, erzählt er. Er findet, das müsse sich ändern. „Das ist Direct Trade in seiner besten Form, und es gibt mittlerweile so viele so gute Kaffees hier in Peru.“
Wann Kaffee gut ist, erkennt Gino. Wenn er sich mit Röstmeister Gardiner Smith durch Verkostungen schlürft und Röstkurven bespricht, weiß er, worauf es ankommt. Er stammt aus einer Familie mit langer Kaffeetradition. Sein Großvater Dario Fundes Gutierrez gehört zu den Herstellern der ersten Stunde in der Kooperative Satinaki, die die Murnauer Kaffeerösterei seit Jahren mit zuverlässig guter Qualität beliefern. Auf diese Weise hat Gino schon früh eine Verbindung zu hochwertigem Spitzenkaffee entwickelt. Er hat sich jedoch für einen anderen Weg entschieden, als Kaffee anzubauen und Pflanzen zu umsorgen: Ginos Stärke liegt darin, ihn unter die Leute zu bringen.
Deshalb hat er in Lima Marketing, Design und Fotografie studiert, um ein professionelles Business aufzubauen. Der Anfang ist bereits gemacht. Gino hat eine eigene Marke ins Leben gerufen. „Mitika“ heißt sie, was so viel bedeutet wie „legendär“, das Branding hat er selbst entworfen und das Marketing dafür bereits gestartet. Verkaufsstützpunkt ist derzeit noch das Café seiner Mutter. Sein Ziel: mehr lokale Shops in Lima aufbauen und gleichzeitig andere dazu animieren, auch Kaffee von der eigenen Finca auf den Markt zu bringen. „Es läuft, aber es steht noch alles ganz am Anfang“, sagt Gino. Deshalb war er einer der ersten, die sich für das Austauschprogramm meldeten, um über den Tellerrand zu blicken.
“Specialty Coffee hat bei uns zu lange zu wenig interessiert”
Eine Erfahrung, die er bereits jetzt als sehr hilfreich empfindet, ist der den Deutschen nachgesagte Sinn für Ordnung. „Es ist alles so sortiert und organisiert in Deutschland. Hier zu lernen, finde ich sehr hilfreich für Zuhause.“ Nachhaltig beeindruckt ist Gino auch von der Art, wie man hier in Deutschland auf Kaffee blickt. Wenn Gino hinter der Theke im Kaffeehaus steht, das Kommen und Gehen der Kunden beobachtet, fällt ihm immer wieder das starke Interesse der Leute an Specialty Coffee und dem Drumherum auf. „Sie fragen so viel, über den Kaffee, wo er herkommt oder wie man ihn am besten zubereitet. Da steckt Wertschätzung drin, das ist schön.“
In Peru ändere sich das erst langsam. „Bis vor kurzem trank man bei uns lange eigentlich nur Instantkaffee, obwohl es bei uns wirklich guten Kaffee gibt. Um die 80% davon gehen aber in den Export. Kaffee als Produkt, das man selbst genießt, hat hier zu lange zu wenig interessiert“, erzählt Gino.
“Es sind vor allem Kaffee-Startups, die zünden”
Umso mehr freue er sich über den Wandel, der in Peru einsetzt. Vor einigen Jahren hat hier bereits der Cup of Excellence den Weg dafür bereitet, wichtigster Kaffeegipfel überhaupt mit extrem hoher Messlatte in Sachen Qualität. „Allein das zeigt, wie wichtig Peru als Kaffeeland und v.a. Produzent von Specialty Coffee wahrgenommen wird auf dem Weltmarkt. Das hat Eindruck hinterlassen“, sagt Gino. Auch die berühmte Messe Expo Café leistet ihren Beitrag, die Farmer und Kaffeekäufer direkt zusammenbringt und Kontakte einfädelt.
Bis der Funke im peruanischen Kaffeeleben endgültig übersprang, habe es noch etwas gedauert. „Es sind v.a. Kaffee-Startups, die zünden“, sagt Gino. Sie hätten das Potenzial von Kaffee entdeckt und weitergedreht am Schwungrad des Wandels. Der spielt sich v.a. im Bereich Social Media ab. „Da wird mittlerweile rauf und runter über Specialty Coffee geredet“, freut sich Gino, der mit „Mitika“ Teil dieser neuen Kaffeekultur ist. Die Folge: immer mehr Cafés schießen aus dem Boden, die richtige Baristas beschäftigen und nicht mehr länger Instant-Pulver mit Wasser verrühren.
Was er sonst noch mit nach Hause nehmen wird? Gino lehnt sich zurück in den Drehstuhl und blickt nach draußen auf die patschnasse Terrasse. Der deutsche Sommer hatte nicht viel zu bieten für ihn. Trotzdem lächelt er, denn zumindest habe das deutsche Essen einen neuen Fan gefunden, sagt er. Sicher werde das eine oder andere zuhause nachgekocht oder es zumindest versucht. Was wir von Gino behalten werden? Auf jeden Fall sein Kaffeerezept, mit dem er viele seiner Kurzzeitkollegen begeistert hat: Cafè Orange, Espresso mit Orangensaft, so wie man in Peru Kaffee jetzt öfter trinkt. Und eine neu geknüpfte Masche im Kaffeenetz.