Latte Macchiato ist nicht bloß Kaffee. Dieses Getränk steht für eine neue Art des Kaffeetrinkens und wurde zum Symbol für einen trendigen urbanen Lebensstil. Wer hip sein wollte, bestellte Ende der 90er nicht mehr Filterkaffee mit Sahneschuss, sondern: „einen Latte“, noch hipper: to go. Wir spüren diesem Phänomen nach und erklären, was genau ein Latte Macchiato ist, wie er zu diesem Symbolstatus kam und warum es sogar ein Musical dazu gibt.
Was ist ein Latte Macchiato und woher kommt er?
„latte macchiato“ ist Italienisch und bedeutet „gefleckte Milch“. Da steckt bereits im Namen, wer bei diesem Getränk die Hauptrolle spielt: die Milch. Die Italiener, Schöpfer des Latte Macchiato, kippten einfach ein wenig Espresso oder Kaffeerest in ein Glas warmer geschäumter Milch, wodurch die berühmten Flecken entstehen. Mit dieser „Sandkasten-Version“ von Kaffee wollte man auch die Kleinsten am Kaffeegenuss teilhaben lassen.
Die Auswirkungen von Koffein auf den Organismus von Kindern waren damals noch nicht so bekannt, schon lange wird den Kindern stattdessen Babyccino serviert, geschäumte Milch mit Kakaopulver. Heute hat der Latte Macchiato ein festes Mischungsverhältnis von jeweils einem Drittel Milch, Espresso und Milchschaum.
Vom „Kinderkaffee“ zum Symbol urbaner Trendigkeit
In Italien sah man im „Latte Macchiato“ nicht mehr als einen „Kinderkaffee“, in Deutschland jedoch wurde er als neuer Stern in den Kaffeehimmel gehievt, wo er heute noch glänzt. Trendsetter für die Lattewelle in Deutschland war München. Das verwundert nicht, wird München doch schon immer als nördlichste Stadt Italiens gehandelt. Dort siedelten sich in den 90ern die ersten italienischen Espressobars an. Statt Standard-Filterkaffee gab es Espresso, statt Sahnehaube Milchschaum.
Mit diesem Schwung der Neuartigkeit entstand das Baristahandwerk und eine neue Kaffeekultur, sodass „die Latte“ mit ihrem Siegeszug nicht lange auf sich warten ließ. In ihrer cremigen Trendigkeit schwappte die „Latte-Welle“ über ganz Deutschland hinweg. „Die Latte“ sprach deshalb v.a. trendbewusste Menschen an, Großstädter der Mittelschicht und die junge Elterngeneration in Szenebezirken.
„Die Latte“ steht also für mehr als nur für ein neues Kaffeeerlebnis: sie wurde das begleitende Getränk einer sozioökonomischen Entwicklung, sie wurde zu einem Synonym für den Zuzug einer wohlhabenden Schicht in frühere Arbeiterviertel, deren Umwandlung in Szeneviertel, damit einhergehende Mieterhöhungen und einen urbanen Lebensstil.
Dass damit starke Stereotype entstehen, zeigen Ausdrücke wie „Latte Moms“ oder „Latte Macchiato-Eltern“, die den entsprechenden Vorstellungen nach kaufkräftig und den Kinderwagen schiebend mit einer „Latte to go“ im Becherhalter das Bild eines „Latte Macchiato-Kiez‘“ wie dem Prenzlauer Berg im Osten Berlins prägen. Dieses Bild lieferte Stoff für Kabarettisten und sogar für ein Musical, „Mamma Macchiato“ von Tom van Hasselt.
Der Latte: seine Spielarten und wie Sie ihn perfekt zubereiten
Was als „Kinderkaffee“ entstand, indem man einfach nur etwas Kaffee in warme Milch kippte, ruft heute ganze Meisterschaften auf den Plan. Professionelles Baristahandwerk hat den Latte Macchiato über Jahre hinweg perfektioniert mit der bekannten Schichtung von Milch, Espresso und Milchschaum. Diese Schichten so ins Glas zu zaubern, erfordert Routine. Ein bisschen Hintergrundwissen dazu ist dabei hilfreich.
Die klassische Schichtung wird möglich, weil Milch, Espresso und Milchschaum eine unterschiedliche Dichte haben. Milch hat einen höheren Fettanteil und liegt deshalb eigentlich über dem Espresso. Hier spielt die Temperatur eine große Rolle. Der Espresso ist deutlich heißer, hat deshalb eine stärkere Ausdehnung und schwimmt auf der Milch. Milchschaum hat viele Luftbläschen und wird darum immer nach oben steigen. In einem guten Latte Macchiato ist die Milch etwas fester und cremiger geschäumt als beim Cappuccino. Dafür eignet sich am besten Milch mit einem Fettanteil von 3 bis 3,5% Fett.
Der „originale Latte“
Die Milch sollte max. 60°C warm sein und als cremiger Milchschaum ins Glas gegossen werden. Espresso aus Siebträger oder Vollautomat hat eine Temperatur zwischen 62 und 68°C, aus der Herdkanne etwa 80°C. Lass den Espresso in ein vorgewärmtes Gefäß laufen, damit er nicht zu stark auskühlt, am besten in ein Espressokännchen, das erleichtert auch das Ausgießen. Wird er mit ruhiger Hand in die Milch gegossen, trennt er den Schaum von der flüssigen Milch und bildet auf ihr eine Schicht mit den bekannten kunstvollen fleckigen Schlieren, die sich nach unten in die Milch ziehen. Die sind übrigens auch das Kennzeichen eines perfekt zubereiteten Latte Macchiatos.
Der „3-Schicht-Latte“
Ein Latte Macchiato mit drei strikt voneinander getrennten Schichten, wie man es z.B. aus der Werbung kennt, wirkt optisch interessant, ist jedoch ein Convenience-Produkt, das einem handgemachten Latte Macchiato das Wasser nicht reichen kann. Der Grund: einige Maschinen wie z.B. Kapselautomaten können die Milch nicht so erwärmen wie ein Barista. Der heiße Espresso daraus fließt dann auf etwas kühlere Milch und vermischt sich kaum bis gar nicht mit ihr. Nachteil: das Getränk kühlt wegen der niedrigeren Milchtemperatur schneller aus und man muss umrühren, um Kaffee und Milch miteinander genießen zu können.
Der „Latte-Art-Latte“
Neben dem Latte Macchiato mit dem Espresso-Loch in der Milchschaumdecke gibt es heute den „Latte Art-Latte“. Wo ein ausgebildeter Barista am Siebträger steht, geht der Latte Macchiato heute meist mit Herzchen, Blatt oder einem anderen kunstvollen Latte-Art-Bild im Milchschaum über die Theke. Hier kommt zuerst der Espresso ins Glas, der mit aufgeschäumter Milch wie bei einem Cappuccino aufgegossen wird. Der Latte Macchiato ist damit Ausdruck einer eigenen Barista- und Kaffeehaushandschrift.
Der „Latte nur mit Latte“
Der Espresso ist der Teil eines Latte Macchiato mit dem stärksten Eigengeschmack. Der Hauptanteil ist jedoch Milch, deren Geschmack und Farbe grenzenlos variiert werden können. Mit Pulvern, Sirup, Pasten oder Gewürzmischungen entstehen die kreativsten Rezepte.
In manchen Coffeeshops rückt der Kaffee manchmal derart in den Hintergrund, dass originelle Kreationen mehr zählen, manchmal sogar ganz ohne Kaffee. Bei der „Latte mit Shot“ zählt der Geschmack von Karamell, Vanille oder Kokosnuss, im Herbst fiebern Latte-Fans auf den „Pumpkin-Spice-Latte“ wegen des besonderen Gewürzes, und bei Kreationen wie dem „Pistazien-Latte“ zählt die Farbe und weil er etwas ganz anderes ist.
Mit diesem Latte-Version, dem kaffeefreien Latte, scheint die ursprüngliche Idee davon perfektioniert: es schließt sich der Kreis zum einstigen „Kinderkaffee“…
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