Im Gespräch mit Ernährungswissenschaftler Dr. Malte Rubach über die Wirkung von Kaffee auf unsere Gesundheit
Kaffee schmeckt nicht nur, er macht auch wach, wird als Verdauungshelfer getrunken, löst Kopfschmerz in Luft auf und mehr. Gerade wegen seiner vielfältigen Effekte auf unseren Körper haben sich Mythen um Kaffee herum entsponnen. Ernährungswissenschaftler Dr. Malte Rubach hat in einem Buch so ziemlich allen auf den Zahn gefühlt. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, wie man mit widersprüchlicher Info über Kaffee umgeht, warum manchmal Emotionen dabei hoch kochen und wie Kaffeetrinker ihre Tasse am besten für sich nutzen können.
Über Dr. Malte Rubach
Dr. Malte Rubach ist ein gefragter Experte, wenn es rund um die Themen Lebensmittel, Ernährung, Nachhaltigkeit und Innovation geht. Der Ernährungswissenschaftler hat nach Stationen in Gießen, San Diego und Madison im Bereich der Kaffeeforschung an der Technischen Universität München promoviert. Seine Arbeiten wurden in internationalen Fachzeitschriften und Fachbüchern veröffentlicht sowie in Publikumsmedien wie der The New York Times und der Folha de S. Paulo.
Herr Rubach, Sie entkräften in Ihrem Buch „Kaffee Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit“ eine Menge Mythen rund um Kaffee, z.B. dass er keineswegs Flüssigkeitsräuber ist oder Knochen brüchig macht. War das der Grund, warum Sie dieses Buch geschrieben haben?
Dr. Malte Rubach: Ich habe während meiner Doktorarbeit über Kaffee festgestellt, dass über Kaffee sehr viele Gesundheitsmythen erzählt werden. Teils aus Unwissen und teils auch aus Überzeugung für bestimmte Ernährungs- und Gesundheitstrends. Darüber wollte ich die Menschen aufklären und habe das Buch geschrieben. Ernährungs-Mythen gibt es allerdings sehr viele, zu fast jedem Lebensmittel. Deshalb habe ich dann auch weiter darüber geschrieben, zuletzt mein Buch „88 Ernährungs-Mythen – Was Sie über Ihr Essen wissen sollten“.
Sie beschreiben eine ziemlich lange Liste an positiven Effekten von Kaffee auf unsere Gesundheit. Welcher Effekt ist in Ihren Augen der entscheidendste? Oder anders gefragt: welchen gibt es, den alle Kaffeetrinker (besser) nutzen sollten?
Dr. Malte Rubach: Eigentlich ist es ganz einfach, denn die meisten Effekte sind nach aktuellem Stand der Wissenschaft entweder auf die enthaltenen Antioxidantien oder das Koffein im Kaffee zurückzuführen. Wobei man dabei nicht von direkten Ursache-Wirkungs-Beziehungen sprechen kann. Kaffeetrinker haben offenbar einfach geringere Risiken für eine Vielzahl von Erkrankungen. Man braucht also nur trinken und sich dabei gut fühlen.
Die positiven Effekte, die Sie beschreiben, untermauern Sie mit Ergebnissen aus internationaler Forschungsarbeit. Kann man Studien aus einer Ecke der Welt auf alle Kaffeetrinker und Kaffee-Nicht-Trinker übertragen? Spielt da nicht auch der generelle Lebensstil eines Kulturkreises eine Rolle?
Dr. Malte Rubach: Richtig, Kaffeetrinken allein macht weder gesund noch krank. Und diese Art Studien können nicht eindeutig nachweisen, dass es am Kaffee liegt, wenn Kaffeetrinker seltener von manchen Erkrankungen betroffen sind. Doch was sie zeigen können, ist, dass Kaffee auf keinen Fall gesundheitsschädlich ist. Denn wenn dies so wäre, dann würden auch solche Beobachtungsstudien zeigen, dass Kaffeetrinker tendenziell häufiger von bestimmten Erkrankungen betroffen sind.
Es gibt viele widersprüchliche Aussagen zu den Auswirkungen von Kaffee. Im Kontext von z.B. Hirngesundheit stehen sich die Schlagzeilen „Kaffee ist ungesund“ und „Koffein schützt vor Demenz“ gegenüber. Besonders wenn aus Studien zitiert wird, fragt man sich: na was denn nun? Welchen Tipp können Sie geben, um sich in der Flut widersprüchlicher Information zurechtzufinden?
Dr. Malte Rubach: Solange Sie keine Allergie oder Nahrungsmittelintoleranz haben, können Sie davon ausgehen, dass jedes Lebensmittel in vernünftigen Maßen keinen Schaden anrichtet, sondern den Körper einfach nur mit Nährstoffen versorgt. Im Bereich Ernährung wird mit viel Aufwand sog. Content Marketing betrieben, was heißt, dass mit seriös anmutenden Texten und dem Zitieren von Studien ein bestimmtes Bild erzeugt wird. Z.B. von einer Erkrankung, die mit einem Lebensmittel im Zusammenhang stehen soll, und dann kann der Verzicht oder der Konsum dieses Lebensmittels zur Heilung führen. Das Beste, was Ratsuchende tun können, ist zu einer zertifizierten Ernährungsberatung zu gehen und sich nicht zu sehr von Informationen im Internet beeinflussen zu lassen.
Die Art, wie über Kaffee geschrieben wird, spielt da vielleicht auch eine Rolle. Titel wie „Die unberechenbare Wirkung von Kaffee“ oder „Wie gefährlich ist Kaffee wirklich?“ wirken ziemlich plakativ. Gerät man beim Thema Kaffee und Gesundheit in eine emotionalisierte Informationsschlacht? Oder sollen diese Schlagzeilen nur Klicks generieren?
Dr. Malte Rubach: Ernährungsthemen sind immer emotional aufgeladen. Das liegt daran, dass damit häufig auch ein Stück persönliche Identität verbunden ist. Wie Menschen sich ernähren, ist immer Teil einer Ernährungskultur. Schon zwischen einzelnen Regionen in Deutschland unterscheiden sich manche traditionellen Gerichte, und zwischen Nationalstaaten und Kontinenten werden die Unterschiede immer größer. Im Kleinen gibt es diese Identitätsbildung auch durch einzelne Lebensmittel und Ernährungsweisen, mit denen man sich irgendwo dazugehörig fühlt. Auch Kaffee ist so ein Ding, weil ihn ja nun einmal fast jeder trinkt. Also kann ich mich mit dem Verzicht wunderbar von der Masse abheben. Am besten natürlich, weil man den Verzicht auch noch schlüssig begründen kann, z.B. mit Studien oder irgendwelchen Erfahrungsberichten.
Groß auf dem Schirm bei vielen Kaffeetrinkern ist die Verträglichkeit. Kaffee wird oft im selben Atemzug genannt mit gereiztem Magen und Sodbrennen. Im Verdacht stehen besonders Koffein und Chlorogensäure. Auch ein Mythos?
Dr. Malte Rubach: Die Magensäuresekretion wird komplex reguliert, u.a. durch das zentrale Nervensystem. Deshalb kann es bei empfindlichen Menschen durch Koffein zu einer verstärkten Produktion von Magensäure kommen. Allerdings gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, daher würde ich immer zum Test empfehlen, einfach mal einen verdünnten Kaffee und einen koffeinfreien Kaffee zu trinken. Oder man arbeitet mit Röstung und Mahlgrad. Wenn davon das Sodbrennen nicht weggeht, dann liegt es an etwas anderem. Die Säure im Kaffee ist dagegen nicht das Problem, da unser Magen noch viel saurer ist.
Gibt es in Sachen Verträglichkeit einen Unterschied zwischen Arabica und Robusta?
Dr. Malte Rubach: Robusta hat mehr Koffein und Chlorogensäure, was sich individuell auf die Verträglichkeit auswirken könnte. Ansonsten ist es tatsächlich so, dass es Menschen gibt, die unterschiedliche Provenienzen auch sehr unterschiedlich vertragen, obwohl es sowohl Arabica als auch Robusta sein kann. Ausprobieren ist da wohl der beste Ratschlag.
Was sagen Sie zur These „Kaffee macht süchtig“? Zu steil? Oder ist was dran?
Dr. Malte Rubach: Suchtvergleiche sind sehr beliebt, um eine große Schlagzeile zu machen. Das kennen wir auch beim Thema Zucker. Fakt ist, dass der Körper immer einen Gewöhnungseffekt auf wiederkehrende Substanzen zeigt, die einen Reiz ausüben. Sei es geschmacklich oder auf andere Bereiche des Nervensystems. Im Fall Kaffee lässt daher der Wachmachereffekt durch das Koffein mit der Zeit nach und man muss mehr davon trinken, um ihn wieder zu spüren. Wenn man nun von jetzt auf gleich in die Abstinenz geht, dann kann es sein, dass mehrere Faktoren ein Unwohlsein auslösen. Zum einen passt sich das Nervensystem neu an und gerade bei Menschen, die zu Kopfschmerzen neigen, kann dies auch zu Kopfschmerzen führen. Schließlich ist Kaffee nicht umsonst ein altes und bewährtes Hausmittel gegen Kopfschmerzen gewesen. Wirksam ist dabei das Koffein, das inzwischen ja auch in vielen Kopfschmerztabletten enthalten ist. Außerdem kann es sein, dass allein das Aufgeben einer liebgewonnenen Gewohnheit ein Unwohlsein auslöst. Und zuletzt können andere Einflüsse dazu führen, dass man sich unwohl fühlt, die aber zufällig während der Abstinenz auftreten und gar nicht ursächlich mit Kaffee im Zusammenhang stehen.
Zum Thema Antioxidantien: die Behauptung, Milch mache alle positiven Effekte von Kaffee zunichte, gilt mittlerweile als widerlegt. Allerdings scheint Milch an einige Antioxidantien zu binden. Beeinträchtigt das ihre Wirkung tatsächlich? Und wenn ja: gibt es einen Weg, trotzdem von ihnen zu profitieren, ohne auf den Schuss Milch verzichten zu müssen?
Dr. Malte Rubach: Die Milch im Kaffee ist immer in der Diskussion. Allerdings beziehen sich die Studien meistens auf sämtliche Kaffeegetränke, ob nun mit oder ohne Milch zubereitet. Insofern kann dieses Detail zwar einen Erkenntnisgewinn für die molekulare Verfügbarkeit der Antioxidantien bringen, aber die Kaffeewirkung scheint es nicht zu behindern. Zudem gibt es im Kaffeegetränk in großen Mengen die sog. Melanoidine, die dem Kaffee die schwarze Farbe geben und antioxidativ wirksam sind.
Antioxidantien spielen eine große Rolle bei den vorbeugenden Effekten, die Kaffee mitbringt. Sie nennen in Ihrem Buch beachtliche Zahlen wie 40% geringere Wahrscheinlichkeit auf Parkinson oder 20% bei Darmkrebs. Wieviel Kaffee muss man für solche Effekte trinken? Und wie lange schon? Können auch Quereinsteiger von diesen Effekten profitieren?
Dr. Malte Rubach: Diese Risikoabsenkungen sind rein statistische Werte, wenn Menschen über mehrere Jahre oder Jahrzehnte beobachtet wurden. Dazu gibt es keine konkrete Empfehlung. Was aber gesagt werden kann: Kaffeetrinker profitieren bereits ab der ersten Tasse Kaffee, der Effekt steigt bis zur fünften. Danach ist kein Zusammenhang mehr zu erkennen. Doch umgekehrt muss auch niemand Angst haben, an solchen Krankheiten zu erkranken, denn das natürliche Risiko ist ja bereits nicht so hoch, dass jeder Mensch daran leidet. Insofern gilt wieder, dass Kaffee auf keinen Fall schadet, wenn, dann nützt er der Gesundheit.
Einer der Sätze in Ihrem Buch, die am meisten hängen bleiben, ist dieser hier: „Kaffee ist mehr als die Summe seiner einzelnen Inhaltsstoffe.“ Klingt wie ein Plädoyer für Kaffee. Sehen Sie persönlich Kaffee nach diesem Buch durch eine andere Linse? Und wie viele Tassen trinken Sie nach diesem Buch mehr als vorher?
Dr. Malte Rubach: Ich habe ja während meiner Doktorarbeit und davor selbst nie Kaffee getrunken, sondern zum ersten Mal in Rio de Janeiro zusammen mit meiner Frau, die aus Brasilien stammt. Seitdem trinke ich sehr gerne Kaffee und auch mehrmals am Tag. Das ergibt sich einfach aus dem Genuss, ganz ohne Planung.
Hier gehts zum Buch „Kaffee Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit“ von Dr. Malte Rubach
Fotos: © Portrait Dr. Malte Rubach von Ingolf Hartz