Genuss ist nicht nur schön, er stärkt auch unsere Psyche. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei Aromen. Sie können eine Menge in unserem Gehirn auslösen. Kaffee ist ein perfektes Beispiel dafür. Mit seinen über 800 Aromen ist er als duftende Wucht kaum zu überbieten und entfacht ein neuronales Feuerwerk. Was dabei genau passiert, warum kleine Kaffee-Rituale unser Wohlbefinden fördern und wie du dein Genusserlebnis mit Kaffee intensiver erleben kannst, erfährst du hier.
Immer der Nase nach: die Macht der Aromen
Gerüche haben große Macht über uns. Sie können abrupt Gefühle auslösen und uns in eine andere Stimmung versetzen. Der Geruch von Zimt und Mandarinen etwa versetzt uns schlagartig unter den Weihnachtsbaum, bei Kokosnuss stellt sich Urlaubs-Feeling ein, und mit dem Duft von Kaffee verbinden wir Wohligkeit und Genuss. Neben Gerüchen, bei denen wir kollektiv ähnlich empfinden, gibt es auch solche, mit denen wir ganz individuelle Gefühle oder Situationen verbinden.
Der Geruch einer bestimmten Spülmittelmarke z.B. versetzt den einen in die erste Studentenbude zurück, in der damit abgespült wurde, der andere denkt beim Geschmack von Pflaumenkuchen an die Kindheit, in der die Großmutter immer kolossal große Stücke davon servierte.
Das ist der sog. Proust-Effekt: er beschreibt das Phänomen, dass unser Geruchs- und Geschmackssinn Situationen und Emotionen mit einem bestimmten Geruch oder Geschmack verknüpft und als Erinnerung abspeichert. Mit nur einem einzigen Duft oder Geschmack sind diese in Bruchteilen einer Sekunde wachgerufen und wirken so echt, als ob wir die jeweilige Situation gerade erst erlebt hätten. Das Geheimnis steckt in dem, was wir Aromen nennen und wie wir sie wahrnehmen.
Exkurs in die Wissenschaft: Was ist ein Aroma? Und wie nehmen wir es wahr?
Wenn wir von Geruch, Duft und Geschmack sprechen, sind Aromen die Essenz davon. Der Begriff Aroma kommt aus der Disziplin der Sensorik, in der u.a. die Verbindung von Geruch und Geschmack wahrgenommen wird. Was uns vom Fleck weg in Nostalgie versetzen, um den Finger wickeln oder auch abstoßen etc. kann, sind nüchtern gesprochen einzelne chemische Verbindungen oder Stoffgemische, die einen spezifischen Geruch und/oder Geschmack erzeugen.
Orthonasal, also mit der Luft, die wir einatmen, gelangen verschiedenste Dinge in unsere Nase, u.a. Aromamoleküle. Entscheidend dafür ist der hintere Teil der Nase. Dort sitzt das sog. olfaktorische Epithel. Es ist ein kleiner Zellteppich voller Neuronen, die Geruchsreize analysieren. Sie nehmen auch retronasal Aromen wahr, also die, die aus unserer Mundhöhle in unseren Nasenraum gelangen, wenn wir essen und trinken.
Für diese Wahrnehmung spielt der Geruchssinn eine entscheidende Rolle, denn unsere Zunge erkennt lediglich die fünf Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami. Je nach Sensibilität kann der Mensch bis zu 10.000 Gerüche unterscheiden, und dabei reichen wenige Moleküle, um einen bestimmten Geruch zu definieren und uns emotional zu erreichen. Das liegt auch daran, dass unser Geruchssinn eine ganz besondere Nummer unter den Sinnen ist. Geruchsreize haben eine direkte Standleitung in das Limbische System und den Hippocampus, wichtige Bereiche für Empfindungen und Erinnerungen.
Alle anderen Sinnesreize hingegen werden zuerst in einer zentralen Schaltstelle im Gehirn verarbeitet und dann erst weitergeleitet. Auf einen angenehmen Duft hin werden daher umgehend ein paar der berühmten Glückshormone ausgeschüttet. In der Forschung vermutet man, dass u.a. evolutionäre Vorteile der Grund für diesen direkten Weg der Reizverarbeitung sind, etwa beim Jagen und Sammeln von Nahrung oder bei der Suche nach einem geeigneten Partner.
Wer also an einer frisch aufgebrühten Tasse Kaffee schnuppert, spickt aromatische Pfeile ins Gehirn. Denn von seinen über 1.000 nachweislich entdeckten Inhaltsstoffen sind ca. 800 davon Aromastoffe, die ein Feuerwerk unter den Neuronen entfesseln. Der Aromastoff für Kaffee schlechthin trägt übrigens den kecken Namen 2-Furfurylthiol. Neben ihm hat man über 20 weitere Aromastoffe identifiziert, mit denen man Kaffeearoma synthetisch nachbauen kann, wie z.B. karamell-, butter-, nuss- oder auch fleischartig riechende Stoffe. Die vielen Aromen in Kaffee haben nachweislich einen starken Effekt. Was wir mit Kaffee und seinen angenehmen Röstaromen abspeichern, ist: köstlich, tut gut, verheißungsvoller Genuss.
Geruchsgesteuert: wie Aromen Emotionen und Verhalten beeinflussen
Wie massiv unser Geruchs- und Geschmacksempfinden unser Verhalten beeinflusst, zeigt z.B. auch das Prinzip „Sell with smell“. Marketing-Strategien tasten sich immer weiter in den Bereich von Scent-Marketing vor, also dem geruchsbasierten Marketing, um ein Gefühl von Wohlbefinden und Genuss in uns auszulösen beim Kauferlebnis. So soll z.B. eine berühmte Kaufhauskette in den US-Staaten diesen Ansatz musterhaft betreiben: in der Abteilung für Badebekleidung wabert ein Duft von urlaubsmäßiger Kokosnuss, in der Lingerie streicht ein Hauch von entspannendem Flieder um die Nase und in der Abteilung für Babykleidung begleitet ein pudriger Duft die Kaufentscheidung.
Dabei werden diese Aromen so subtil eingesetzt, dass wir sie gar nicht wirklich als solche wahrnehmen, unser Gehirn jedoch registriert sie sehr wohl. Was bleibt, ist lediglich die Erinnerung an ein angenehmes, genussvolles Einkaufserlebnis, das wir gerne wiederholen.
Warum Genuss wichtig ist und welche Rolle Kaffee dabei spielen kann
Geruchs- und Geschmackserlebnisse können also stark beeinflussen, wie wir uns fühlen. Der wissenschaftliche Zweig der Positiven Psychologie schreibt dem Genuss dabei einen besonderen Stellenwert zu, weil er kraftvoll wirkt als positive Emotion, und Genuss von den meisten und in sehr vielen Situationen erlebt werden kann. Er soll u.a. die Lebenszufriedenheit fördern und langfristig Ressourcen aktivieren, die z.B. Reizverarbeitung, Resilienz und die Fähigkeit Probleme zu lösen verbessern.
Wir Deutschen sind darin gar nicht so schlecht. Laut einer Studie sagen 80% von sich, Genießer zu sein. Und wir haben eine klare Priorität dafür: Genuss rangiert hinter „Ausruhen“ und „Urlaub machen“, aber noch vor „Zeit mit der Familie“ und „Zeit draußen verbringen“. Für genussvolles Essen und Trinken scheinen dabei guter Geschmack und ausreichend Zeit die wichtigsten Kriterien.
Im Fall von Kaffee ist es glasklar: ein großer Teil der Kaffeetrinker gibt an, Kaffee aus Genuss heraus zu trinken. Einleuchtend, sprengt die kleine Bohne doch mit ihrem atemberaubenden Reichtum von Aromen jeden Rahmen von Bescheidenheit. Dabei trinken wir ihn oft instinktiv in einem ritualisierten Rahmen, ein Muster, dem wir unterbewusst folgen. Der Ernährungswissenschaftler Dr. Malte Rubach begründet das mit dem Streben unseres Gehirns nach Einfachheit und Entspannung und plädiert dafür, die Macht von Kaffee-Ritualen stärker zu nutzen. Rituale bieten Sicherheit und einfach gestrickte Lösungen, die uns Entscheidungen abnehmen.
Angesichts der viele Reize, die auf unser Gehirn täglich einstürmen, sind das enorme Vorteile, die den Effekt der Entspannung steigern. Der tägliche Kaffee am Morgen, in der Pause mit Kollegen oder bei guter Gesellschaft im Café sind also ideale Settings dafür: regelmäßige Rituale, die die wir mit angenehmen und genussvollen Erfahrungen verbinden.
Interessant in diesem Zusammenhang: der Effekt der Entspannung tritt übrigens schon durch den Duft von Kaffee ein. Kaffee ist also ein perfektes Beispiel dafür, wie sich die Wirkungen von Genuss, Ritualen und Aromen perfekt verbinden und stärkste Wohlgefühle auslösen.
Kleine Schule des Kaffee-Genießens
Neben dem Geruchssinn spielen auch die anderen Sinne eine Rolle für umfassenden Genuss. Deshalb heißt es: alle Sinne aufsperren! In unserer kleinen Schule des Kaffee-Genießens geben wir Tipps, wie das mit Kaffee gut funktioniert.
Was für’s Auge
Das Auge isst mit, heißt es so schön, und bereits beim Anblick einer schön drapierten Speise auf einem schicken Teller ist die Vorfreude auf das Genusserlebnis mit einem Fingerschnipp da. Das wirkt auch bei Kaffee. Schaff dir eine schöne Atmosphäre, z.B. mit Wohlfühlgeschirr, oder lasse die Umgebung eines Cafés auf dich wirken, sieh den Baristas zu, wie sie deinen Kaffee zubereiten und freue dich am Anblick einer tollen Crema oder gelungener Latte Art.
What a Feeling!
Kaffee kann man auch fühlen. Zum einen sind da die Bohnen und gemahlenes Kaffeepulver, die sich angenehm anfühlen. Zum anderen löst die warme Tasse in der Hand ein angenehmes Gefühl aus. Deshalb boomen gerade die besonders handschmiegigen Coffee Mugs, Becher ohne Henkel. Zu guter Letzt: spüre dem Kaffee im Mund und beim Schlucken nach. Ist Milch im Spiel, ist es nochmal eine Ecke anders.
What a Feeling!
Kaffee kann man auch fühlen. Zum einen sind da die Bohnen und gemahlenes Kaffeepulver, die sich angenehm anfühlen. Zum anderen löst die warme Tasse in der Hand ein angenehmes Gefühl aus. Deshalb boomen gerade die besonders handschmiegigen Coffee Mugs, Becher ohne Henkel. Zu guter Letzt: spüre dem Kaffee im Mund und beim Schlucken nach. Ist Milch im Spiel, ist es nochmal eine Ecke anders.
Was auf die Ohren
Kaum eine Kaffeeseele kann sich dem Zauber entziehen, wenn Mühlen rattern, Kaffeemaschinen blubbern, Siebträger zischen und Milchschaum gurgelt. Die Geräuschkulisse, die Kaffee erzeugen kann, kann entspannend wirken, weil wir wissen, dass wir gleich eine schöne Tasse genießen dürfen.
Mit der Nase ganz vorn
Mit seiner aromatischen Vielfalt ist Kaffee eine echte Wunderwaffe. Allein der Duft reicht, um uns wach zu machen und Stress den Wind aus den Segeln zu nehmen, fanden Forscher heraus. Wenn du also das nächste Mal Kaffee kochst, schnuppere bewusst, wenn du die Packung öffnest, wenn du aufbrühst und schließlich deine Tasse genießt.
Auf der Zunge zergehen lassen
Eine der obersten Regeln im Cupping-Codex: den Kaffee erst verkosten, wenn er die richtige Temperatur hat. Bei heißem Kaffee liegt sie bei ca. 65°C. An diesem Punkt entfalten sich die Aromen optimal. Nun den Kaffee genüsslich trinken und den Aromen nachspüren, vielleicht den Kaffee sogar etwas länger auf der Zunge lassen und in kleinen Mengen schlucken. Das ist ein Booster für das retronasale Geschmacksempfinden. Wer es noch intensiver möchte: Schlürfen wirkt wie ein Verstärker und direkt nach dem Schlucken aktiv ausatmen. Bei kalten Getränken wie Cold Brew entwickelt Kaffee ein etwas anderes aromatisches Spektrum, das du jedoch genauso erkunden kannst wie bei heißen Kaffee.
Quellen:
Dt. Kaffeeverband, Marktforschungsstudie 2022
Katharina Bernecker, Daniela Becker, “Beyond self-control: Mechanisms of hedonic goal pursuit and its relevance for well-being”, Juli 2020, Sage Journals
NLP-Zentrum Berlin: Die Facetten des Genusses
UGBforum 6/2021: Prof. Michael Macht, Interview: Was macht Essen mit unserer Psyche?
Dr. Malte Rubach, Kaffee Apotheke, München, 2019
Carolin Hauck Einblicke Ausgabe: 3/2018. Institut für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen
www.welt.de/lifestyle/article8750773/Wie-uns-die-Industrie-mit-Geruechen-zum-Kauf-verfuehrt.html
Spektrum.de/lexikon der Geruchswahrnehmung
Michael Keenan, How scent marketing works for retailers, www.shopify.com/retail/scent.marketing
www.hbr.org/2015/11/the-new-science-of-customer-emotions