Im Gespräch mit Dr. Sarada Krishnan, Chefin der International Women’s Coffee Alliance
Das Charisma einer starken Frau kann völlig alleine bestehen, auf beeindruckende Weise ganze Räume einnehmen. Dr. Sarada Krishnan ist so eine Frau. Sie ist ein natürliches Kommunikationstalent und schafft es, mit ihrer Leidenschaft für alle möglichen Dinge zu faszinieren und zu überzeugen. Noch dazu ist sie eine international gefragte Biologin. Damit ist Dr. Sarada Krishnan die perfekte Besetzung für die Spitze der International Women’s Coffee Alliance (IWCA), deren Ziel es ist, Frauen im Kaffeebusiness zu mehr Stärke zu verhelfen. Mit ihr haben wir gesprochen, warum das Kaffeebusiness immer noch stark männlich geprägt ist, wie man veralteten Denkmustern beikommt und warum in starken Gemeinschaften Schlüssel zu Erfolgen liegen.
Über Sarada Krishnan
Dr. Sarada Krishnan ist wegen ihrer Expertise aktiv im U.S. Department of Agriculture’s National Genetic Resources Advisory Council und Vorsitzende des Ausschusses für Kaffee- und Kakao-Keimplasma. Sie besucht laufend Tagungen und Farmen rund um den Globus, zwischendrin immer auch ihre eigene Farm in Jamaica, wo sie den berühmten Blue Mountain Kaffee anbaut. Seit Juli 2022 wohnt sie in Bonn, dort trat sie den Posten als Programmdirektorin im Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenentwicklung an, auch bekannt als Global Crop Diversity Trust. Ziel dieser NGO ist nichts weniger als Biodiversität und Vielfalt an Sorten des Saatgutes von Nutzpflanzen zu bewahren, um die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung zu wahren.
Und dann sind da noch die Kaffeefrauen, für die sie sich schon immer einsetzt. Seit 2021 tut sie das ganz offiziell als Geschäftsführerin der IWCA, in der sie 32 Kapiteln auf der ganzen Welt vorsteht. Über sich selbst sagt Sarada, dass sie sich überall zuhause fühlt, ihren Ausgleich in den Bergen findet und gutes Essen liebt – und natürlich Kaffee. Sarada ist Mutter zweier erwachsener Söhne. Sie kennt also den Spagat, den Frauen leisten, um Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen, und alle weiteren Herausforderungen berufstätiger Frauen.
Sarada, genau vor einem Jahr hatten wir Liliana Schwarzbach vom deutschen Kapitel der IWCA im Interview. Bereits damals stellten wir fest: es gab sehr wenig Information zum Thema Frauen und Kaffee. Ein Jahr später ist das nicht anders. Kann man auf so einer Basis überhaupt ein aussagekräftiges Bild zeichnen, welche Rolle Frauen im Kaffeebusiness spielen und welche Herausforderungen sie haben?
Es gibt zwar ein paar Studien zu diesem Thema, allerdings sind es wenige und nicht wirklich aktuelle. Außerdem erweisen sich Statistiken manchmal nicht als ganz sorgfältig. Um sich ein Bild in den verschiedenen Kaffeeregionen machen zu können, muss man also oft auf Studien zurückgreifen, die für andere Zwecke entstanden und Zahlen daraus entlehnen, z.B. aus den landwirtschaftlichen, jedoch nicht kaffeespezifischen Reporten der UN Women. Daran sieht man: die Datenlage ist dürftig und kann die Realität nicht genau abbilden. Andererseits: um künftig mehr und effektiver bewegen zu können, müssen wir den Stand der Dinge irgendwie erfassen und irgendwo beginnen.
Wenn so wenig erfasst und berichtet wird über die Arbeit von Kaffeefrauen: könnte man daraus folgern, dass ihre Bedeutung für den Kaffeesektor als nicht wichtig genug betrachtet wird?
Das Kaffeebusiness ist eine überwiegend männliche Landschaft, egal in welchen Bereich man schaut. Gerade deshalb ist es so wichtig, diese Arbeit darzustellen. Frauen leisten einen enormen Beitrag, ich wage zu behaupten, ohne Frauen sähe es in der Kaffeewirtschaft düster aus. Und trotzdem haben sie z.T. enorme Nachteile hinzunehmen. Besonders deutlich sieht man das ganz am Anfang der Kaffeewertschöpfungskette in ländlichen Regionen von Entwicklungsländern. Deshalb setzt sich IWCA vornehmlich für Frauen dort ein.
Dieser Gender Gap – wie äußert sich der genau? Kannst du uns ein paar Beispiele geben?
Die Specialty Coffee Association of America hat einen Leitfaden* herausgegeben für Strategien, wie man den Gender Gap in Kaffeeländern schließen könnte. Dazu erfasste sie die Situation bzgl. Arbeitsaufteilung, Einkommen, Landbesitz sowie Führungs- und Entscheidungsebene in Entwicklungsländern. Das ist jetzt auch schon ein paar Jahre her und einige Daten mögen nicht mehr ganz stimmen, in der Sache hat sich aber nicht viel geändert.
Was die Arbeitsaufteilung angeht, sitzen Frauen in der Regel auf weniger einflussreichen Positionen: auf dem Feld, bei Ernte und Aufbereitung. Es sind überwiegend Männer, die das Produkt transportieren und vermarkten. Es gibt Entwicklungsländer, in denen Frauen immer häufiger am Verkostungstisch stehen, um die Qualität von Kaffee zu beurteilen, darüber hinaus geht es jedoch kaum. Das schlägt sich auch nieder beim Einkommen. Da Transport und Verkauf überwiegend Männer übernehmen, liegen in überwiegend ihrer Hand auch Zugang zum Geld und dessen Verwaltung. Dazu kommt, dass Frauen generell zu niedrigeren Löhnen arbeiten als Männer. Das bedeutet, dass viele Kaffeefrauen zwangsweise in wirtschaftlicher Abhängigkeit von Männern leben und kaum Möglichkeiten haben zum wirtschaftlichen Aufstieg.
Das Thema Landbesitz kann das nochmal erschweren, da gibt es immer noch deutlich weniger Frauen als Männer, die eine Farm besitzen. In einigen Entwicklungsländern haben Frauen sogar aufgrund der rechtlichen Lage Schwierigkeiten, überhaupt in den Besitz von Land zu kommen. In der Demokratischen Republik Kongo z.B. kann eine Frau nur Land erwerben, wenn sie verheiratet ist und nur mit der Genehmigung ihres Mannes, und selbst dann wird das Dokument auf seinen Namen ausgestellt. Problematisch wird das auch, wenn Frauen ihre Männer verlieren. Grundstücke gehen nach dem Tod des Mannes oft an männliche Verwandte des Ehemannes weiter.
Von genau solchen Hürden sprechen wir. Wenn Frauen dann auch noch Schwierigkeiten haben an Kredite zu kommen für Investitionen, wird es zur maximalen Herausforderung, die Familie durchzukriegen. All das führt auch dazu, dass Frauen kaum in Führungspositionen auftreten. Männer haben oft die Kontrolle über Entscheidungen, weil sie primär als Landbesitzer gelten. Daher werden Frauen auf Ebene der Kooperativen von Mitgliedschaften u.U. ausgeschlossen oder sie können sie sich gar nicht leisten. Das klingt jetzt alles sehr düster und es ist natürlich nicht überall genauso. Es gibt Kaffeeländer, in denen Frauen mit ganz anderer Teilhabe involviert sind, und die Umstände ändern sich in einigen Entwicklungsländern langsam, ganz besonders in stadtnahen Regionen. Es ist aber unmissverständlich klar, dass noch unglaublich viel Arbeit vor uns liegt, um Frauen in stärkere Positionen zu bringen.
Wie kann das gelingen? Nach dem Bild, das du uns zeichnest, scheint es eine Frage von Traditionen und Einstellungen zu sein, die eine Entwicklung behindern.
Es sind oft noch kulturell bedingte Anschauungen, die zu Diskriminierungen von Frauen führen. Deshalb wird es ein langer Prozess sein, verkrustete Strukturen aufzubrechen, das gelingt nicht von heute auf morgen. Es ist so wichtig, klar zu machen, wie groß, wertvoll und unersetzbar der Beitrag von Frauen ist! Wir sind soziale Wesen, wir brauchen die Gemeinschaft, und Frauen haben so viel beizutragen! Wie gut eine Gemeinschaft funktioniert mit gleichberechtigten Geschlechtern, zeigt u.a. auch die Analyse der FAO**. Sie kalkulierte, dass die gesamte landwirtschaftliche Produktion eines Entwicklungslandes zwischen 20 und 30% gesteigert werden könnte, wenn Frauen denselben Zugang zu Ressourcen bekämen, was wiederum zu mehr Wohlstand führen würde.
Wo willst du den Hebel mit IWCA ansetzen?
Ich möchte einen festen Platz an allen Tischen haben, an denen über Kaffee gesprochen wird, damit Frauen endlich sichtbarer werden und mehr Möglichkeiten bekommen. Dazu brauchen wir solide Daten über die Situation von Frauen in Kaffeeländern, z.B. über die Zusammenarbeit mit Universitäten, um maßgeschneiderte Projekte für die jeweiligen Länder zu entwickeln. Die Herausforderungen von Kaffeefrauen in Uganda sind ja andere als die in Jamaica. Frauen im einen Land haben etwa damit zu kämpfen, täglich mühsam Wasser beschaffen zu müssen, im anderen Land wiederum wissen sie nicht, wie sie ihre Ernte auf den schlecht befestigten Wegen mehrere Stunden zur nächsten Verarbeitungsstation am besten transportieren. Und wir brauchen Bündnispartner.
Gibt es denn schon konkrete Ideen, in die investiert werden soll?
Für gemeinsame Projekte muss Geld fließen, und deshalb stecken wir noch in der Phase, in der viel Überzeugungsarbeit ansteht, um die Mittel zu beschaffen. Wir haben im Herbst 2022 einen Strategieplan-Plan für die nächsten fünf Jahre aufgestellt. Im Detail kann ich noch nicht alles verraten, es wird sich jedoch stark darum drehen, Frauen besseren Zugang zu verschaffen zum Kaffeemarkt und zu Mitteln – finanziell, technisch etc. – , Organisationen und Vereinigungen zu stärken, in denen Frauen sich zusammenschließen können. Dazu werden wir werden stark auf wirkungsvolle, integrative Kommunikation setzen, die die Arbeit unserer Kapitel sichtbar macht, und wir werden viele Ausbildungsprogramme ins Leben rufen.
Wie möchtest du Menschen konkret erreichen, um Vorurteile und alte Denkmuster abzubauen?
Großes Potenzial liegt meines Erachtens in Bildung und Kommunikation. Wir müssen neben Frauen bereits die Mädchen ausbilden – und auch die Männer. Das muss integrativ passieren. Gerade in Entwicklungsländern ist das Wissen rund um Kaffee mangelhaft. Wenn Frauen und Männer gemeinsam lernen, was Qualität bedeutet, woran man arbeiten kann, um sie zu verbessern, welche Varietäten am besten funktionieren etc., dann können Frauen und Männer gemeinsam Kompetenzen entwickeln und es entsteht eine neue und starke Gemeinschaft.
Kannst du uns Länder nennen, in denen Frauen mit so einem Selbstverständnis im Kaffeebusiness stehen?
Ein schönes Beispiel ist Honduras. Das IWCA Kapitel gibt es dort seit 2013. Es ist angewachsen auf heute 337 Mitglieder, von Farmerinnen über Cupperinnen bis hin zu Baristas – viele Frauen, die fest im Business stehen. Dieser tolle Erfolg beruht auf Partnerschaften, die verschiedenste Trainings zu Cupping, Marketing, Farm-Management, Leadership, Finanzwissen, Anbaumethoden, Umgang mit Klimawandel etc. ermöglichten. Eine gute Zusammenarbeit mit der Regierung war von Vorteil. Mit der derzeitigen Präsidentin Xiomara Castro, der ersten Frau in Honduras in diesem Amt, erhoffen wir uns von IWCA weitere Fortschritte.
Deine Arbeit am Schreibtisch und in Meetings ist die eine Seite. Die andere passiert vor Ort bei den Menschen auf Plantagen. Gibt es einen Moment oder eine Begegnung, die dich am meisten berührt hat?
Da denke ich als erstes an eine Szene in Madagaskar. Dort war ich für Forschungsarbeiten in Wäldern und auf Plantagen. Die Armut auf dem Land dort ist bedrückend. Ich kam in ein Dorf, ein paar Kinder wurden auf meine Wasserflasche aufmerksam und baten mich darum. Ich schenkte sie ihnen, sie begannen damit zu spielen, und ich konnte sehen, wie glücklich sie dabei waren. Es war schön zu sehen, wie sehr sie sich trotz der Armut um sie herum über diese Kleinigkeit freuen konnten.
Letzte Frage: wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?
Aus meiner Herdkanne. Als ich während einer Reise keinen ordentlichen Kaffee bekommen konnte, fahre ich seither nirgendwo mehr hin ohne meine Herdkanne im Gepäck.
* SCAA: A blueprint for gender equality in coffeelands, 2015
** Food and Agriculture Organization of United Nations, www.fao.org/3/at890e/at890e.pdf
Fotos: © IWCA