Wer mit Spezialitäten-Kaffee zu tun hat, kommt an Susie Spindler nicht vorbei. Sie ist so etwas wie der Cristiano Ronaldo der Kaffeewelt, nur deutlich bescheidener. Die Vorsitzende von Alliance for Coffee Excellence hat mit nur drei Kollegen die Cup of Excellence (CoE) ins Leben gerufen – und damit den Maßstab für Kaffee guten komplett neu definiert. Das ist über 20 Jahre her. Wir haben Susie gefragt, ob sie ihre Ziele von damals erreicht hat, warum sie Debatten über das Bouquet von Kaffee keineswegs dekadent findet und was sie allen Kaffeetrinkern der Welt sagen möchte…
Man kann einfach nicht anders. Wenn Susie lacht, lacht man mit, und wenn sie von Kaffee erzählt, hängt man an ihren Lippen. Susie kann Menschen vom Fleck weg begeistern. Dass sie sich vor 20 Jahren dazu entschlossen hat, Cup of Excellence zu gründen, ist ein Glücksfall für die Kaffeewelt, denn CoE macht das Kaffeeleben für die einen genussvoller und für die anderen besser.
CoE geht es darum, großartige Qualität und nachhaltiges Wirtschaftsdenken zusammen auf ein Podest zu heben, und das mit echter Leidenschaft und Fairness. „Man kann keine nachhaltige Entwicklung generieren, wenn man sich nicht leidenschaftlich für Kaffee begeistert. Dabei geht es uns immer um den Einzelnen, nicht um eine große, nicht greifbare heterogene Gruppe. Diese Leidenschaft muss dann in eine Strategie übersetzt werden, die es dem Kaffeebauern ermöglicht, sehr gute Qualität zu einem gerechtfertigt hohen Preis anzubieten“, erklärt sie den Grundgedanken.
Damit will CoE Strukturen umkrempeln: Qualität an den Mann bringen und dabei den Kontakt zwischen Farmern und Käufern direkt herstellen. „Wir haben gesehen, dass das eine positive Spirale in Gang setzt. Die Käufer fragen verstärkt direkt bei den Bauern nach, weil sie wissen, dort kriegen sie beste Qualität. Genau so etwas wollen wir“, bilanziert Susie.
Generell blicke man heute anders auf Kaffee als vor 20 Jahren, findet sie.
Susie ist stolz darauf, dass CoE zu einigen der größten Veränderungen Spezialitäten-Kaffee-Business beigetragen hat.
Es gebe heute viel mehr Langzeit-Beziehungen zwischen Röstern bzw. Kaffeehändlern und den Farmern, berichtet sie. So könnten die Käufer das Gesicht hinter den Kaffeesäcken erkennen. „Das ist eine ganz wertvolle Entwicklung, es schafft Vertrauen und Planungssicherheit für beide Seiten“, erklärt Susie. Und dann ist da noch die außerordentliche Qualität…
Das CoE-Label auf einer Packung Kaffee ist heute nicht nur anerkannt – es ist die höchste Auszeichnung.
„Das hat mehrere Gründe. Die Bauern haben heute mehr Knowhow, weil wir sie bzw. sie sich selbst weiterbilden. Sie haben auch gelernt, ihre Kaffees strikt voneinander zu trennen, sodass die Einzigartigkeit der jeweiligen Kaffees unverfälscht bleibt. Die z.T. unglaublichen Preise, die sie damit bei den Auktionen erzielen, sind Wertschätzung und Anerkennung, das motiviert sie, noch mehr zu leisten und mehr auszuprobieren, z.B. neue Aufbereitungen. Es ist eine globale Community entstanden von mehr als 350 Mitgliedern, die die Leidenschaft zu Spezialitäten-Kaffee eint und die gemeinsam hart daran arbeitet“, sagt Susie. Und zu guter Letzt gebe es heute Kaffee aus so vielen Regionen der Welt wie noch nie zuvor.
Die Frage nach dem Bouquet ist moralisch vertretbar
Gerade deshalb kommt Susies Antwort auf die Frage, ob es moralisch vertretbar sei über das Bouquet von Kaffee zu diskutieren, während wir wissen, dass Kaffeebauern auf der anderen Seite oft ganz andere Sorgen haben, wie aus der Pistole geschossen und so überzeugt wie ein Plädoyer: „Ich denke, man kann das ganz einfach umdrehen: vielleicht ist die Tasse Kaffee nicht weltbewegend, was daran hängt aber schon. Viele Menschen und manchmal sogar ihre Existenzen hängen davon ab, ob und welchen Kaffee wir trinken. Wenn wir uns bewusst dafür entscheiden, gute Qualität zu kaufen, für Kaffee aus direktem Handel und für faire Preise, tragen wir durchaus etwas dazu bei, die Probleme dieser Welt – zumindest wirtschaftlich – zu lösen. CoE, Cupping und auch die Diskussion über Bouquets sehe ich deshalb als legitim. Bewusster Kaffeegenuss macht für die Farmer einen großen Unterschied. Und für mich auch…
Die Farmer werden für harte Arbeit entlohnt, ihre Kinder bekommen eine Perspektive, in letzter Konsequenz kann das sogar Landflucht verhindern…
Außerdem geht wirklich guter Kaffee auch immer mit Umweltbewusstsein einher. Wenn die Nachfrage hoch ist, sind die Plantagen quasi gezwungen, nachhaltig zu wirtschaften. Es ist ein Kreislauf aus Qualität, Forschung und Entwicklung, der eng mit unseren Entscheidungen verbunden ist. Insofern finde ich es gar nicht selbstsüchtig oder dekadent, sich so viele Gedanken über Kaffee zu machen und beste Qualität zu fordern – vorausgesetzt sie wird angemessen entlohnt.“
“Ohne Integrität ist Leidenschaft wertlos“
Das ist für Susie und ihre Teamkollegen eigentlich das wichtigste über allem: der Blick dafür, was menschlich und integer ist. Daraus ergeben sich die Maßstäbe für Fairness und Nachhaltigkeit. „Wir sehen die Leidenschaft, die so viele mitbringen. Ohne Integrität verliert Leidenschaft jedoch ihre Bedeutung. Als Endkunden mögen wir vielleicht leidenschaftlich sein, wenn wir unseren Lieblingskaffee trinken. Wenn wir uns aber nicht dafür interessieren, wie unser Kaufverhalten das Leben des Farmers und die Umwelt beeinflusst, dann ist Leidenschaft nichts wert. Integrität und Leidenschaft, das ist der einzige Weg, um die gesamte Kaffeekette positiv zu beeinflussen ”, konstatiert Susie.
Frauen im Kaffee-Business: ” Da liegt noch ein Stück Weg vor uns…”
Diesen Geist trägt Susie auch in andere Bereiche. Z.B. in die Debatte um Frauen und Kaffee. Die Zahl von Frauen im Kaffee-Business hat sich seit der Gründung von CoE nach oben korrigiert. „Manchmal spüre ich noch, dass an zentralen Positionen Männer sitzen, was ich gar nicht verstehe. Immerhin sind Frauen die stärksten Kaffeekäufer. Das hat sich sehr wohl gebessert in den letzten Jahren. Das sehen wir an Frauen-geführten Unternehmen, weiblichen Barista Champions und an der steigenden Zahl von Frauen, die Kaffee herstellen. Es liegt aber immer noch ein Stück Weg vor uns, den ich unbedingt noch gehen will.“
Das Kaffee-Netz muss engmaschiger werden
Nach all den Erfolgen, über die Susie und ihr Team sich freuen, ist bereits ein schwergewichtiges Paket neuer Aufgaben geschnürt. Zum einen möchten sie weitere Kaffeeländer hinzugewinnen, mehr Farmer teilhaben lassen an den Vorteilen des Kaffeenetzes und den fairen Handel vorantreiben. Zum anderen richtet es den Blick auf den Klimawandel. „Farmer aus allen Gebieten der Welt berichten uns z.B., dass sich die Erntezeiten verschieben oder dass Kaffeekrankheiten leichteres Spiel haben. Das ist eine große Sache, auf die wir Antworten brauchen“ kündigt Susie an. Am wichtigsten ist ihr jedoch, die Kunden stärker ins Boot zu holen. Es ist ihr wichtig, ihnen verständlich zu machen, warum wirklich guter Kaffee mehr kostet und welchen Unterschied das machen kann. „Ich wünsche mir, dass Kaffee als hochwertiges Qualitätsgetränk gesehen wird und dass wir gemeinsam eine nachhaltige Kaffeekette gestalten, in der alle Beteiligten mehr bekommen – vom Kaffeebauern bis zum Genießer.”