Karate, Feng-Shui und Reisschalen – u.a. diese Dinge spielen die zugegebenermaßen klischeebesetzten Hauptrollen im Kopfkino, das sich beim Stichwort Asien bei uns im Team einstellt. Und natürlich Tee! Nirgendwo sonst wurden Genuss und Zubereitung von Tee so kunstvoll auf das Podest gehoben wie dort. Und wie passt da jetzt Kaffee rein? Ziemlich gut! Kaffee erlebt in Asien einen echten Boom. Wir erklären die Gründe und geben einen kleinen Einblick in die asiatische Kaffeekultur, die so vielfältig und exotisch ist wie der Kontinent selbst.
Der Boom, den Asien mit Kaffee erlebt, ist hauptsächlich dem Wissensdurst, der Kreativität und dem Enthusiasmus von Kaffeeproduzenten und Exporteuren zu verdanken. Länder wie Taiwan oder Thailand sind avanciert zu angesehenen und leistungsstarken Produzenten von Arabicakaffee, Vietnam ist seit Jahren laut Deutschem Kaffeeverband nach Brasilien zweitgrößter Produzent von Rohkaffee weltweit. Ein Markt für Spezialitätenkaffee konnte sich entwickeln. Weil es vielerorts kleine Familienbetriebe sind, die Kaffee anbauen, kommt diese Entwicklung gerade der kleinbäuerlichen Struktur zugute.
In Asien wachsen nicht unbedingt mehr Varietäten als anders wo. Zwar gibt es Kaffees, die in dieser Form nur von dort kommen können, wie der berühmte Kopi Luwak, der die indonesische Schleichkatze braucht. Was asiatische Kaffees jedoch vor allem ausmacht, sind die vielfältigen Wege der Weiterverarbeitung. Zu einem Teil ist das der Tradition geschuldet; das Monsooning-Verfahren wurde in Asien entdeckt und wird dort heute noch praktiziert. Mut und Neugier legen die Produzenten bei allem, was neu ist, an den Tag. Innovative Aufbereitungsmethoden wie z.B. die anaerobe Fermentation sind in der Kaffeewelt bekannt. Während jedoch Produzenten wo anders tendenziell eher den sicheren Weg gehen, weil eine Kaffeecharge mit einer neuartigen Aufbereitungsmethode daneben gehen könnte, sind asiatische Produzenten oft risikofreudiger und probieren gerne aus, was die Kaffeewelt gerade zu bieten hat.
Asiatisches Kaffeehandwerk: von „Aged Coffee“ bis zur Butter-Röstung
Grundsätzlich werden in Asien sämtliche Methoden zur Aufbereitung von Kaffee angewendet, die es gibt. Zwei Methoden möchten wir herausheben, denn sie tragen ein asiatisches Prädikat.
Das sog. Aging ist zwar keine asiatische Entdeckung. Wenn jedoch ein Kaffee aged ist, dann meistens asiatischer. Das Aging ist eine glückliche Zufallsentdeckung. Der erste Kaffee, der Anfang des 16. Jhds nach Europa kam, hatte einen langen Seeweg hinter sich. Er stammte aus dem Jemen und legte mehrere 1.000 Kilometer auf dem Schiff über Südafrika zurück. Noch vor dieser Reise war der Kaffee schon eine Zeit lang gelagert und dadurch einem Reifeprozess ausgesetzt worden. Der Geschmack veränderte sich dadurch, nicht zuletzt durch die feuchte Meeresluft. Heute wird das Aging bewusst und kontrolliert eingesetzt, um den Kaffee zu veredeln. Er verliert so mehr Säure und wird gleichzeitig vollmundiger. Ziel ist nicht, neue Geschmacksprofile zu kreieren, sondern das vorhandene zu verstärken. Besonders eignen sich dafür Kaffeevarietäten, die bereits von Natur aus wenig Säure und einen kräftigen Körper haben.
Das Monsooning ist eine für Indien spezifische Art des Agings. Auch sie entstand durch Zufall und ist heute noch sehr gefragt. Zur Zeit des Kolonialismus war Kaffee von Indien nach England auf Segelschiffen lange unterwegs. Die Bohnen waren der von Salz und Feuchtigkeit schweren Seeluft ausgesetzt. Ein besonderer Reifeprozess des Agings wurde in Gang gesetzt, die Kaffeebohnen entwickelten ein außergewöhnliches Geschmacksprofil, das sich durch wenig Säure und sehr schokoladige Noten auszeichnet. Heute wird der Kaffee in speziellen Trocknungshäusern von Juni bis September der feuchten Monsunzeit kontrolliert ausgesetzt.
Rösten wie vom anderen Stern: die Butter-Zucker-Röstung
Maximal 220°C bei 13 Minuten – das ist unser Röstrezept. Dabei blicken unsere Röster akribisch auf die Uhr, um ja nicht den kritischen Punkt zu übersehen. In Asien kann das ganz anders ablaufen. In Malaysia kippt so manchet Röster haufenweise Butter und Zucker zu den Bohnen und lassen alles 45 Minuten bei 600°C vor sich hinschmurgeln. Das Butter-Rösten stammt aus China und entstand aus der Not, schlechte Bohnen genießbar zu machen. Mit Großbritannien als Kolonialmacht kamen Liberica-Bohnen nach Malaysia, eine Kaffeesorte neben Arabica und Robusta. Sie ist zwar widerstandsfähiger und ertragreicher, jedoch deutlich härter, trockener und koffeinreicher. Um aus diesem wenig schmeckenden Kaffee etwas zu machen, wurden kurzerhand Butter und Zucker mitgeröstet. Herauskommt: Kopi, das malaysische Nationalgetränk mit herber und leicht verbrannter Note. Heute werden dafür Robusta-Bohnen verwendet.
Zuerst wird in großen Kesseln Zucker karamellisiert. Dann kommen die Bohnen dazu, Butter und je nach Röster auch mal Gewürze für die besondere Handschrift. Nach der Röstung wird die schwarze Masse abgekühlt, bis sie eine Toffe-artige Konsistenz hat. Anschließend wird sie in holzscheitgroße Stücke geschlagen und grob gemahlen. Jetzt kann Kopi zubereitet werden. Das passiert meistens in einem schlauchartigen Stoffbeutel. Heißes Wasser wird hineingegossen, darunter steht die Tasse. Mit Milch und Zucker wird er am liebsten getrunken. Dazu gibt es britisch-kolonial angehauchten Imbiss wie gebutterten Marmeladen-Toast, Kekse oder auch Fischsuppe und Curry.
Was für echte Nerds: Nel Dripper, Kaffee aus Teebeuteln & 10 Jahre alter Kaffee
Auch in Sachen Zubereitung reibt sich ein westlich geprägter Kaffeetrinker die Augen. Handfilter und French Press ist japanische Kaffeegenießer vom alten Schlag moderner Schnickschnack. Kissaten schwören auf den Nel Dripper, einen Baumwollfilter, mit dem Kaffee aufgebrüht wird. So soll er besonders mild werden. Auch für gereifte Bohnen, dem neuesten Schrei in Japan, soll er das Mittel der Wahl sein. Grüne Bohnen reifen über lange Zeit, z.T. bis zu zehn Jahre, werden geröstet und dann zubereitet.
Kreativität beweist die Erfindung der Coffee Drip Bags: Kaffeepulver in Teebeuteln. Wo viel Kaffee und Tee getrunken wird wie in Japan, Taiwan oder Korea, ist diese schnelle Art des Aufbrühens sehr beliebt. Im Zehner-Pack gibt es diese Erfindung in nahezu allen Cafés und Röstereien zu kaufen. Es geht aber noch schneller: man findet Kaffee auch als gefriergetrocknetes Instant-Pulver.
Asiatische Kaffeehauskultur: Kissaten, Design Coffeeshops und geheime Wohnzimmer
Japan ist bekannt für seine meditative Art, Genuss zu leben, wie z.B. Tee. Etwas ähnliches gibt es für Kaffee. In Japan gibt es die sog. Kissaten: Teehäuser, die schon für das 12. Jahrhundert belegt sind. Nach strengen Ritualen wird dort Tee getrunken, seit dem 19. auch Kaffee. Mittlerweile haben es diese traditionsreichen Kaffeehäuser schwer neben den modernen Versionen. Coffeeshops schießen wie Pilze aus dem Boden. Ganz besonders in Thailand. Je schicker desto besser. Da kann es schon mal passieren, dass ein neuer Design Coffeeshop zum Fotoatelier für Social-Media-Posts und von Likern überschwemmt wird.
Vietnam hat zwei Gesichter. Im Norden nimmt man sich für das Kaffeetrinken Zeit in den vielen kleinen Straßencafés, auch wenn die Karte nicht mehr hergibt als Eis- und Milchkaffee. Im Süden des Landes ist Kaffee ein To Go-Geschäft und nicht mehr als ein heißes Getränk.
Eine ganz andere Rolle spielen Kaffee und Cafés in Südkorea, besonders für die junge Generation. Kaffeegetränke sind dort teuer. Viele Studenten sind jedoch findig. Bezahlbarer Wohnraum in großen Städten ist fast unerschwinglich, Studentenbuden sind daher oft ziemlich klein. Cafés werden deshalb umfunktioniert zu alternativen Wohn-Zimmern, der stolze Preis für ein hippes Latte-Getränk ist so etwas wie eine billige Zweit-Miete.
Auch in Indien spielt Kaffee eine immer größere Rolle. Zwar ist er für viele Inder noch zu kostspielig. Die Mittelschicht jedoch trifft sich gerne in Cafés, wo Kaffee in allen möglichen Formen angeboten wird neben Chicken Masala-Häppchen.
Abenteuerliche Tassenblicke: so wird Kaffee in Asien getrunken
„Ca Phe Trung“ – der Egg Coffee aus Vietnam ist so süß, dass er auch auf einer Dessert-Karte stehen könnte. Es ist ein sehr starker Kaffee mit Unmengen an süßer Kondensmilch und aufgeschlagenem Eidotter. Süße Kondensmilch und auch Zucker sind übrigens die Requisiten schlechthin in Vietnams Kaffeehäusern. So auch im „Ca Phe Su Da“, einem starken Kaffee mit viel süßer Kondensmilch und Eiswürfeln. Meistens landen sie auch im „Ca Phe Nau“: Kaffee, grob gemahlen und zubereitet in einem speziellen Metallfilter, dem Phin, aus dem der Kaffee direkt in die Tasse tropft, in der sich oft Eiswürfel befinden.
Japan, Thailand, Taiwan, Singapur & Südkorea: Diese Länder sind die Knallbonbons der asiatischen Kaffeekultur. Je ausgefallener desto besser. Fast überall finden jährlich Barista-Meisterschaften statt, wo viele Kaffee-Kreationen entstehen. Selten greifen Baristas auf schlichten Espresso als Grundlage zurück, sondern meist auf Trendgetränke wie Cold Brew oder Nitro Coffee. Besonders in größeren Städten stößt man auf abenteuerliche Kreationen wie Kirsch-Latte mit Blüten-Topping, Minz-Mokka oder Trüffel-Cappuccino. Daneben wirken die uns bekannten Klassiker, die es dort auch gibt, fast schon trivial. Die kann man aber aufpeppen, z.B. mit dem eigenen Foto. 3-Drucker malen Selfies, Fotos oder Sprüche auf den Milchschaum – ein Trend, der auch schon in deutsche Cafés geschwappt ist.
Eine Spur traditioneller geht es in Indien zu. Neben den Klassikern in den zunehmend westlich geprägten Cafés genießt man dort noch immer den Kaapi, der in den 1940ern aufkam: Filterkaffee, aufgebrüht aus ¾ Kaffeepulver – und ¼ Chicorée, meistens mit Milch und Zucker. Was man in indischen Cafés oft zu sehen bekommt, ist das Metering, bei dem aus großer Höhe Milch oder Milchschaum in die Tasse gegossen wird.
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