Cinnamon Roast, City Roast, Medium Roast, dazu French, Italian oder Vienna Roast – das alles sind Namen für bestimmte Röstgrade, in denen Kaffee geröstet werden kann. Und die Liste ist noch lange nicht zu Ende. So vielfältig wie die einzelnen Kaffees heute sind, so wandlungsfähig müssen die Röstereien darauf reagieren. Nicht zuletzt ist es auch der sensiblere Sinn für echte Qualität und differenzierte Kaffeeprofile auf Seiten der Konsumenten, die dem Röstmeister echtes Können abverlangt. Wie aber erkennt man, ob ein Röstmeister sein Handwerk wirklich versteht oder ob in einer Verpackung mehr Marktgeschrei als guter Kaffee steckt? Wir führen dich ein in das Thema Rösten und erklären, was dabei passiert.
Der Röstprozess ist eine komplexe Sache, die vom Röstmeister enormes Wissen und Intuition fordert. Umso erstaunlicher: für den Beruf des Kaffeerösters gibt es keine klassische Lehre, um all das zu lernen. Die meisten lernen es, indem sie jemandem über die Schulter sehen. Diese Erfahrung hat auch Röstmeister Lord Gardiner Smith, kurz Gardiner, gemacht. Er hat das Rösten von der Pike auf bei Thomas Eckel gelernt, Chef Diplom-Kaffeesommelier. „Viel über Kaffee zu wissen hilft, und es ist gut, sich immer weiter zu informieren. Für das Rösten aber muss man ein Gefühl entwickeln, das kann man nirgendwo nachlesen. Das geht nur durch Zuschauen und dann selber Probieren“, erinnert er sich an seine Anfänge.
Was passiert beim Rösten?
Bevor die Bohne in den Röster kommt, ist sie grünlich und hat einen eher grasartigen Geruch. „Ihren charakteristischen Kaffeeduft bekommt sie erst durch den Röstvorgang“, erklärt Gardiner. Über ca. 16min hinweg entfalten sie ihre Aromen, typischerweise in einem sich drehenden Trommelröster. Die Temperatur beschreibt dabei einen bestimmten Kurvenverlauf, der sich bis auf 230°C zubewegen kann, die sog. Röstkurve. Sie umfasst drei Phasen: Trocknen, Bräunen und aromatisches Entwickeln.
Eine brandheiße Angelegenheit: das Trocknen
Im rohen Zustand steckt in den Bohnen noch eine gewisse Feuchtigkeit. Daher müssen sie vor dem eigentlichen Rösten getrocknet werden. In guten Röstereien passiert das in einem auf ca. 200°C vorgeheizten Trommelröster. Da die Bohnen selbst deutlich kühler sind, rauscht die Temperatur im Röster schlagartig nach unten auf etwa 60°C, sobald sie in den Röster gekippt sind. „Das ist der sog. Turning Point in der Röstkurve“, erklärt Gardiner, „sie muss nach spätestens 30 sek. wieder nach oben steigen. Die Bohne trocknet sonst einfach nur aus und das war’s dann mit den Aromen.“
Bis die Bohne platzt: das Bräunen
Nach dem Turning Point steigt die Röstkurve weiter auf ca. 120 bis 160°C. Nach etwa 7min ändert die Bohne ihren Geruch, der an frisches Brot oder Popcorn erinnert, die sog. Karamellisierung hat eingesetzt. Sie gibt den Bohnen einen rötlichen und schließlich braunen Ton.
Während der Rest an Feuchtigkeit noch trocknet, setzt ein weiterer chemischer Prozess ein, die sog. Maillard-Reaktion. Diesen Effekt kennt man auch von anderen Lebensmitteln, die gebraten, gebacken oder geröstet werden wie z.B. das Steak auf dem Grill. Aminosäuren und bestimmte Zucker gehen neue Verbindungen ein, die sog. Melanoidine entstehen, die Lebensmitteln ihre typischen Röstnoten geben.
Nach etwa 9 bis 12min steuert die Bohne auf eines der wichtigsten Ereignisse beim Rösten zu, den First Crack. Bisher entstanden im Inneren der Bohne Gase und Wasserdampf, die Bohne ist nun fast doppelt so groß. Es entsteht ein großer Druck, der sich Bahn bricht: die Bohne platzt, und das ziemlich unüberhörbar. „Wann es so weit ist, sollte ein guter Röstmeister im Blut haben“, sagt Gardiner. „Während des Frist Cracks entlädt sich aufgestaute Energie, die Temperatur steigt deshalb an. Das wäre aber dann zu viel, deshalb muss man schon vorher den Fuß ein bisschen vom Temperaturpedal nehmen. Es sind maximal 30 Sekunden Zeit, die man dafür hat, sonst trocknet Bohne aus.“
Jetzt geht’s ans Eingemachte: das aromatische Entwickeln
Der First Crack leitet die letzte Phase des Röstens ein: jetzt entfalten die Bohnen ihren grundeigenen Charakter mit individuellen Aromen. Fruchtsäuren werden abgebaut, Süße wird herausgearbeitet und es entstehen immer mehr Röstaromen. Es ist eine empfindliche Phase. Auch wenn die Temperatur weiter gedrosselt wird, sollte sie nicht länger als 2,5 bis 3 min dauern, damit die Aromen nicht verbrennen.
„Das ist ein sehr kleines Zeitfenster, aber in diesen max. 180 Sekunden kann sich der Röstmeister völlig auf eine Bohne einlassen“, weiß Thomas Eckel. „Wenn er sein Handwerk beherrscht, kann er herausragende Kaffeeprofile und mit ganz eigener Handschrift schaffen.“ So kann er z.B. das Profil breit entwickeln oder bestimmte Teile davon betonen. Bei fruchtigeren Profilen bricht er den Prozess früher ab, soll es in die schokoladige Richtung gehen, etwas später. „Es sind wirklich Sekunden, die den Unterschied machen“, sagt Thomas Eckel.
Sobald die Bohnen fertig geröstet sind, landen sie in einem Kühlersieb, um die Hitze sofort zu reduzieren und eine weitere aromatische Entwicklung durch Resthitze zu stoppen. Wendearme sorgen für eine gleichmäßige Abkühlung.
Röstkunst vs. Industrieröstung: das sind die Unterschiede
Dreh- und Angelpunkt beim Rösten ist die Röstkurve, die Dauer und Temperatur des Röstvorgangs bestimmt. Sie kann heute mit Hilfe von Röstcomputern nicht nur dargestellt, überwacht und gesteuert werden. Sie kann auch von vorneherein so programmiert werden, sodass der Röster von selbst bestimmte Temperaturen ansteuert. In der Theorie mag das Rösten von Kaffee daher wie eine todsichere Sache erscheinen, in der der Röstmeister eigentlich nur einen Knopf zu drücken hat und der Maschine den Job überlässt – in der industriellen Großröstung ist das auch die Regel.
In der Praxis guter Röstereien jedoch trifft diese Vorstellung den Nagel nicht einmal ansatzweise auf den Kopf. „In der Industrie ist der Katalog der Röstkurven ziemlich überschaubar. Man wählt eine aus, die dann über viele Kaffees gestülpt wird, auch wenn sie gar nicht unbedingt passt“, erzählt Gardiner. „So werden alle Kaffees immer irgendwie gleich schmecken, so wie Stangenware. Jede Bohne ist aber unverwechselbar in ihrem aromatischen Charakter. Kaffee kann deshalb nur richtig gut werden, wenn man für jede einzelne Bohne eine extra Röstkurve erstellt.“
Keine für alle! Von hochindividuellen und wetterfühligen Röstkurven…
Um eine ideale Röstkurve zu ermitteln, ist ein Check der Kaffeebohne im rohen Zustand nötig. Ein guter Röstmeister sieht sich dafür mehrere Faktoren an:
Wie sind Größe & Feuchtigkeitsgehalt der Bohne?
„Wenn ich diese Dinge messe, bekomme ich ein Gefühl dafür, wie lange und wie heiß ich trocknen darf, und wann der First Crack einsetzen wird“, beschreibt Gardiner. Diese Parameter können beeinflusst werden von Dingen wie: wie kalt/warm, trocken/feucht und wie lange wurde der Kaffee gelagert während des Transports und im Lager der Rösterei? Und sogar: wie ist die aktuelle Wetterlage? „Im Winter z.B. ist es trockener. Bei Außentemperaturen von unter 0°C geht die Röstung deshalb schneller. Dasselbe gilt bei hoher Luftfeuchtigkeit. Das klingt verrückt, aber wir merken das. Deshalb passen wir die Röstkurven immer tagesaktuell an“, berichtet Gardiner.
Woher kommt die Bohne? Wie ist ihre Aufbereitung? Und was sind ihre Eigenheiten?
Um eine gute Röstkurve zu erstellen, behält der Röstmeister auch die Abfolge aromatischer Entwicklungen im Hinterkopf, die wie ein ungeschriebenes Gesetz immer so abläuft: zuerst kommen die Fruchtsäuren, es folgen kaffeeeigene Aromen, nach dem First Crack kommt die Süße, am Ende sind die Bitterstoffe. Je länger geröstet wird, umso stärker zerfallen die fruchtigen Aromen. Ein guter Röstmeister wird sich deshalb Dinge fragen wie: Ist es eine harte Hochlandbohne, die für den First Crack länger braucht als eine weichere Tieflandbohne? Das bedeutet: wird eine Hochlandbohne mit zu wenig Hitze geröstet, setzt der First Crack zu spät ein, gleichzeitig trocknet sie zu sehr aus, und das aromatische Profil ist dahin.
Umgekehrt gilt: wird eine Tieflandbohne zu heiß geröstet, kommt der First Crack zu schnell, sodass sie mindestens sauer schmecken wird. Der Röstmeister wird auch berücksichtigen, welche Varietät er röstet. Ist es eine, die mehr Süße in sich trägt oder durch komplexe Fruchtsäuren glänzt? Welche Art von Aufbereitung hat die Bohne hinter sich? Manche Aufbereitungen ergeben sehr zuckerreiche Kaffees. Zucker wiederum zieht Hitze stärker an, was für den Röstmeister bedeutet, die Temperatur entsprechend anzupassen.
Nix als viel zu heiße Luft: im Großröster
Während der in kleinen Röstereien übliche Trommelröster mit zwei Hitzequellen arbeitet – die erhitzte Luft im Trommelinneren und die erhitzte Trommel selbst – und für durchschnittlich 30 bis 60kg ein deutlich homogeneres Ergebnis erzielt, arbeiten Großröster nur mit Heißluft bei Temperaturen bis ca. 350°C. Das reduziert die Röstzeit deutlich auf 2 bis 7min, selbst für unglaubliche Mengen von bis zu 5t pro Stunde.
Da der Kaffee aber nun viel zu heiß ist, um von alleine auszukühlen, wird Wasser eingesetzt. Das Problem dabei: die extrem heißen Bohnen zerreißen wegen des großen Temperaturunterschiedes, weshalb die wertvollen Öle austreten und sich somit der letzte potenziell aromatische Rest verabschiedet. In der Großröstung werden die Bohnen zudem vorgetrocknet, um Zeit zu sparen – und landen damit bereits ausgetrocknet im Röster, mit denkbar wenig Potenzial zur aromatischen Entfaltung.