Im Gespräch mit Darrin Daniel, Chef von Alliance for Coffee Excellence
Wer mit Darrin Daniel spricht, würde nie vermuten, dass er Chef einer der bedeutendsten Kaffeeorganisationen der Welt ist, der Alliance for Coffee Excellence (ACE). Er ist angenehm unabgehoben, nicht nur seiner legeren Hemden wegen. Darrin Daniel legt auf bemerkenswert unaufgeregte Art den Kern der Dinge frei, Gespräche mit ihm entwickeln eine entwaffnende Tiefe. Wir haben mit ihm gesprochen, wie Kaffeereisen seinen Horizont erweitern, welchen versteckten Wert die morgendliche Tasse Kaffee hat und warum unkonventionelle Lebensläufe die besseren sind.
Über Darrin Daniel
Darrin Daniel leitet die ACE, deren Ziel es ist Kaffeebauern von herausragendem Spitzenkaffee, ganz besonders von kleinen Betrieben, Zugang zum Specialty Coffee Markt zu verschaffen, den sie sich alleine nicht erarbeiten können. Er begann seine Karriere mit Specialty Coffee in den 1980ern als Barista neben dem Studium und später als Röster. Durch seine vielen Stationen als Rohkaffeehändler reiste er in über 30 Länder, in denen er unzählige Kontakte knüpfte mit Herstellern, Kooperativen, Managern von Aufbereitungsstationen etc. Seit einigen Jahren leitet Darrin Daniel die ACE und legt großen Wert auf nachhaltigen und fairen Kaffeehandel. Er ist Initiator vieler netzwerkender Kaffee-Events, seine Veröffentlichungen in Kaffee-Magazinen weisen ihn als Experten aus genauso wie seine Jury-Tätigkeit beim Cup of Excellence. 2015 wurde er zur Imbibe Magazine’s Coffee Person of the Year gewählt. Darrin Daniel wohnt in Oregan, USA, von sich selbst sagt er, dass er Poesie liebt und keinen einzigen guten Witz erzählen kann.
Darrin, in deinem Lebenslauf jagt eine interessante Kaffee-Tätigkeit die andere. Der auffälligste Wendepunkt steht jedoch ganz am Anfang deiner Karriere: die Wende von deinem Literaturstudium hin zu Kaffee. Wie kam es dazu? Hat Literatur heute noch Einfluss darauf, was du tust, beruflich und persönlich?
Während meines Studiums arbeitete ich als Barista, im selben Unternehmen landete ich wieder als Röster nach dem Studium, schließlich habe ich mich für den Weg mit Kaffee entschieden. Literatur spielt trotzdem weiter eine Rolle in meinem Leben. Ich sehe sogar ziemlich viele Berührungspunkte, ganz besonders als motivierter Dichter, ein paar meiner kleinen Werke haben es sogar zu einer Veröffentlichung geschafft. In meiner Zeit als Rohkaffeehändler habe ich alles niedergeschrieben, was ich auf meinen Reisen und in Begegnungen auf Kaffeefarmen erlebt habe, das war eine gute Stütze für meine professionelle Arbeit mit Kaffee. Sprache ist eine so elementare und wertvolle Art, Ideen auszudrücken, Geschichten zu erzählen und Orte erfahrbar zu machen, egal in welchem Business man arbeitet.
Ein so breitgefächerter Lebenslauf wie deiner bietet viele Gelegenheiten, verschiedenste Dinge zu lernen. Denkst du, es ist notwendig auf so vielfältige Weise Erfahrung zu sammeln, um eine globale Organisation wie ACE führen zu können?
Ja, das ist auf alle Fälle hilfreich. Das habe ich ganz besonders gemerkt, als ich später Leiter im Rohkaffeehandel war: es gab so viele Gelegenheiten, von Kaffeeherstellern zu lernen! Jetzt da ich über Cup of Excellence (CoE) deren Sprachrohr bin, merke ich, dass ich meine Erfahrungen gut einsetzen kann, um Kaffeehersteller mit guten Konzepten zu unterstützen. Ein großes Spektrum verschiedener Tätigkeiten zu kennen und zu wissen, welche Aufgabenstellungen damit verbunden sind, hilft in die unterstützende Rolle einer globalen Organisation hineinzufinden. Draußen in der Welt zu sein und Menschen aus vielen Kulturen zu treffen war nicht nur ein persönlicher Traum, es hat mir auch in beruflicher Hinsicht eine einfühlsame Wahrnehmung verschafft, und ich kann die Welt auf eine Art betrachten, die sehr erfüllend ist.
Was hilft dir, gute Begegnungen mit anderen Kulturen zu haben? Oder gibt es da eine bestimmte Vertrautheit unter Kaffee-Menschen, egal woher man kommt?
Meine Reisen haben mich in über 30 Kaffeeländer geführt, ich habe dabei gemerkt, dass wir im Grunde alle dasselbe wollen und die gleichen Träume haben. Gleichzeitig sehe ich, dass wir, durch unsere verschiedenen Kulturen geprägt, unterschiedliche Wege einschlagen können, um diese Träume und Ziele zu erreichen. Das war eine große Lebenserfahrung für mich. Wir sind alle sehr einfach gestrickt darin, wie wir bestimmte Dinge tun. Die Art, wie wir sie als Erfolg betrachten oder möglicherweise als Gelegenheit, um aus Fehlern zu lernen, darin liegt der Unterschied, und das ist etwas sehr Rätselhaftes, das ich noch weiter ergründen möchte durch Reisen in weitere Kaffeeanbaugebiete. Viel zu reisen birgt eine Menge an lehrreichen Momenten, unvoreingenommen zu sein und Menschen zuzuhören mit offenem Herzen ist eines der wichtigsten Dinge in meinem Leben geworden.
Das klingt nach interessanten Erlebnissen. Wenn du in deinen Erinnerungen blätterst: welche Situation auf deinen Kaffeereisen fällt dir als erstes ein, hat dich vielleicht sogar geprägt?
Vor einigen Jahren war ich während der Kaffeerost-Krise in Mexiko unterwegs und besuchte mit Kaffeehändlern und einigen unserer Angestellten die Farm eines kleinen Herstellers. Wir sprachen über die Nöte und wie schwierig einiges war. Ganz zum Schluss nahm er mich zur Seite und fragte mich unter vier Augen, ob ich ihm etwas Bargeld leihen könne, weil er und seine Familie nicht über die Runden kämen. Mit feuchten Augen berichtete er, dass er nirgendwo anders hin und niemand anderen um Hilfe bitten könne. Diese Bauern waren unvorstellbar arm, und einige sind es heute noch! Ich bat also diskret meine Reisegefährten, ob sie etwas beisteuern könnten. Am Ende unseres Farmbesuches überreichte ich ihm sämtliches Bargeld, das ich bei mir hatte und alles, was ich auftreiben konnte. Obwohl er ein völlig Fremder war, umarmten wir uns zum Abschied. Das werde ich nie vergessen.
Wenn wir von starken Emotionen sprechen: lass uns einen Blick auf die Kaffeewelt werfen, wie Covid 19 sie derzeit gestaltet. Welche Entwicklung konntest du beobachten? Womit müssen die Hersteller umgehen und wie geht es ihnen?
Der Umbruch durch Covid 19 war verheerend für einige Kaffeeländer. Peru und Kolumbien z.B. mussten schon sehr früh die Erfahrung von Lockdowns machen, die bis zu dem Punkt in der Produktionskette zurückreichten, dass Hersteller ihren Kaffee nicht einmal mehr ernten konnten. Das änderte sich zwar bald wieder, aber dann gab es politische Probleme in vielen Ländern, die vielleicht durch die Pandemie ausgelöst wurden. All das ist sehr destabilisierend, zieht kontinuierliche Unsicherheit nach sich und das ist schon sehr anstrengend und frustrierend für Hersteller und Lieferanten. Auch angesichts des bereits bestehenden Arbeitskräftemangels hat die Pandemie zu einigen unvorhergesehenen Problemen geführt.
ACE hat angekündigt, Programme wegen Covid 19 möglicherweise in den virtuellen Raum zu übertragen, um so vielleicht auch mehr Leute zu erreichen. Ist das ein Start für eine neue Art mit Kaffee global zu arbeiten?
Unser Dreh- und Angelpunkt, Verkostungen und Auktionen, konnte fortbestehen durch unsere virtuellen Global Coffee Centers rund um die Welt. Wir haben das ausgeweitet ins Jahr 2021. Wir sehen: es funktioniert, die Auktionen waren sogar noch erfolgreicher – 2020 war unser bestes Jahr und so wie es aussieht, wird auch 2021 gut abschneiden. Werden wir dieses Modell oder Teile davon auch 2022 fortsetzen? Wir wissen es nicht.
Kann eine virtuelle Veranstaltung eine solche ersetzen, bei der die Menschen keinen Bildschirm brauchen?
Wir würden gerne wieder zurück zu persönlich besetzten Jurys, aber wir wissen einfach nicht, wie sich die Pandemie verhalten wird, auch in anderen Ländern, um mit Gewissheit etwas dazu zu sagen. Es war uns jedoch wichtig, all das so weit wie möglich aufrecht zu erhalten, gerade der Hersteller wegen, die so viele Herausforderungen zu bewältigen haben.
Welche Länder stehen auf deiner persönlichen Wunschliste, die du in den Cup of Excellence aufnehmen möchtest?
Dieses Jahr haben wir Ecuador und Indonesien an Bord. Asien hat spannendes Potenzial, deshalb strecken wir weiter unsere Fühler aus und würden uns über Länder freuen wie Yemen oder Thailand. Schön wäre auch, Burundi und Ruanda zurückzugewinnen. Das unterstützt unsere globale Mission und es ist das, was unsere Mitglieder basierte Organisation am meisten begeistert: mehr herausragenden Kaffee zu entdecken und die Hersteller zu würdigen, die großartigen Kaffee anbauen, und gerade darum geht es.
Gibt es eine Erfahrung, die für dich persönlich wertvoll ist und die du anderen mitgeben möchtest, z.B. Röstereien oder auch einfach nur allen, die Kaffee trinken?
Zuhören, Kopf und Herz dabei öffnen und über andere und ihre Herausforderungen etwas lernen. Und auch das: wann immer du eine Tasse Kaffee trinkst, sei dir bewusst darüber, wieviel Energie und Zeit und Arbeit jeden Tag in jedem Kaffeeanbaugebiet der Welt Menschen dafür aufbringen. Werde dir bewusst über den Wert dieser Tasse Kaffee, die weit mehr ist als nur etwas, das dich am Morgen aufweckt. Weck dich selber auf und fange an zu verstehen, woher dein Kaffee kommt, woher Dinge überhaupt kommen.
Fotos: © Archiv Alliance for Coffee Excellence