Milchalternativen und Milch: Ökobilanzen im Vergleich und Tipps zum nachhaltigen Milch-Konsum
Cremig schaumig, als kleiner sahniger Schuss oder halbe-halbe: für gut 70% der Deutschen gehört Milch in den Kaffee. In den letzten Jahren hat Kuhmilch dabei ernsthafte Konkurrenz bekommen. Die Gründe, Milch zu ersetzen sind vielfältig. Unverträglichkeiten, ethische Einstellungen zum Thema Tierwohl, und immer mehr sind es Gründe der Nachhaltigkeit.
Doch wie gut sind ihre Ökobilanzen im Vergleich zu Milch tatsächlich? Tatsache ist: Milchalternativen stoßen in der Herstellung weniger Emissionen aus. Das ist aber nicht alles, was zählt. Hier kommt ein Überblick zu den Ökobilanzen von Milch und ihren pflanzlichen Alternativen.
Welche Milchalternativen gibt es?
Einen Regalmeter nach dem anderen erarbeiten sich Pflanzendrinks in den Supermärkten. Die Nachfrage ist enorm. Der Umsatz mit Milchalternativen im Lebensmitteleinzelhandel hat sich von 2018 auf 2020 mehr als verdoppelt und betrug zuletzt (2021) etwa 351 Mio. Euro. Deshalb stehen wir heute vor einer bunten Palette verschiedenster Drinks. Die großen Player werden hergestellt aus Soja, Mandel, Hafer und Reis. Daneben gibt es Drinks auf der Basis von Getreide (Dinkel, Hirse, Quinoa, Amaranth und Buchweizen), Nüssen (Cashew, Macadamia, Hasel- und Kokosnuss), Hülsenfrüchten (Erbsen und Lupinen) und von Hanf.
Aus diesen pflanzlichen Rohstoffen wird ein Mix mit Wasser hergestellt, das Milch imitiert. Kuhmilch ist extrem nährstoffdicht, denn sie ist einige Zeit einzige und trotzdem ausreichende Nahrungsquelle für kleine Kälber zum gesunden Wachsen. Deshalb reichern manche Hersteller ihre Alternativen an mit Stoffen wie Kalzium und Vitaminen, um an diese Reichhaltigkeit heranzukommen. Manche setzen allerdings auch Zucker, Salz, Aromen oder andere Fette wegen Geschmack und Konsistenz zu. Deshalb lohnt sich der Blick auf die Zutatenliste.
Es gibt auch Hersteller, die darauf verzichten. Katja Pott, Mitgründerin von Blue Farm, erklärt, wie die Süße durch einen natürlichen Kniff im Haferdrink zustande kommen kann: „Durch den speziellen Produktionsprozess einer enzymatischen und natürlichen Fermentation wird der Hafer aufgespalten, sodass er seinen typischen Geschmack und eine ganz leichte Süße entfaltet. So braucht es auch keine weiteren Zusatzstoffe wie Zucker, Salz, Fette oder Emulgatoren, damit die Oat Base eine homogene Mischung mit Wasser annimmt und so zu einem guten Haferdrink wird.“
Kuhmilch vs. Pflanzendrinks: was ist umweltschonender?
Unter dem Strich kann man sagen: Milch stößt in der Produktionskette mehr Treibhausgase aus als Milchalternativen. Ganz so einfach ist die Betrachtung jedoch nicht. Bei der Herstellung von Produkten spielen auch andere Dinge eine Rolle als die Treibhausgasbilanz allein. Fragen nach der Umweltwirkung sind ebenso zu berücksichtigen. Stammt die Milch aus konventioneller oder ökologischer Herstellung? Wie regional können Produkte hergestellt werden? Wie groß sind Wasser- und Landverbrauch? Ein differenzierter Blick ist also nötig, um Vergleiche zu bekommen, die wirklich aussagekräftig sind. Wir haben Milch verglichen mit ihren vier häufigsten Milchalternativen aus Soja, Mandel, Hafer und Reis.
Soja
Der Sojadrink ist die meistgekaufte Milchalternative. Hören wir jedoch Sojabohne, spult sich in manchem Kopf sofort ein Film ab, in dem große Regenwaldgebiete am Amazonas gerodet werden, um Sojaplantagen Platz zu machen. Der industrielle Anbau von Soja ist mit seiner Flächennutzung, Gewässerbelastung und den häufigen Monokulturen tatsächlich ein Problem. Laut WWF stammen 80% der weltweit angebauten Sojabohnen aus Brasilien, Argentinien und den USA.
Und jetzt die gute Nachricht: Der von der EU importierte Soja wird nahezu komplett für Tierfutter verwendet. Soja für Milchalternativen stammt aus Europa, z.T. mit ökologischen Vorgaben, nur ein Teil wird importiert aus Kanada. Pro Liter steht Sojadrink mit etwa 0,7kg CO2-Äquivalenten (CO2e) im globalen Schnitt gegenüber 2,7kg für Kuhmilch besser da und der Wasserverbrauch ist mit 28l gegenüber 628l deutlich niedriger. Die Umweltbilanz von Soja hängt also stark davon ab, wo und wie er angebaut wird. Soja aus Übersee mischt jedoch an anderer Stelle in unserer Milchwirtschaft mit, dazu später mehr.
Mandel
Der Mandeldrink ist auf Platz zwei der beliebtesten Milchalternativen. Bereits die Würzburger Pergamenthandschrift von etwa 1350, die erste deutschsprachige Sammlung von Kochrezepten, kennt die Mandelmilch, v.a. als Fastenspeise war sie damals beliebt. Doch so traditionsreich diese Alternative auch sein mag – ihre Klimabilanz ist weniger verehrungswürdig. 0,8kg CO2e pro Liter sind immer noch besser als 2,7kg.
Allerdings fallen satte 371l Wasser im Schnitt an. Das kommt daher, weil 80% der Mandeln, die weltweit verarbeitet werden, aus dem heißen Kalifornien stammen, wo die Pflanzen ständig Wasser brauchen. Selbst wenn die Mandeln für den Drink aus Spanien stammen, wird der Wasserverbrauch auch dort angesichts hoher Temperaturen hoch zu beziffern sein.
Schwer wiegen auch die Monokulturen, die in Kalifornien praktiziert werden. Wie fatal die Folgen sind, formuliert die Albert-Schweitzer-Stiftung: „Um die Bestäubung der Mandelbäume zu gewährleisten, werden jährlich Milliarden Bienen auf den Plantagen verteilt. Sie sind ständigen Transporten, Stress, hohen Besatzungsdichten und einer monotonen, pestizidbelasteten Umgebung ausgesetzt. Die industrielle Bienenhaltung, wie sie für die Mandelproduktion üblich ist, schwächt das Immunsystem der Tiere (…). Sie gilt daher als Mitverursacher für das Bienensterben.“ Deshalb stellt die Stiftung in Frage, ob Mandeln und damit Mandeldrinks überhaupt als vegane Produkte zu sehen seien.
Hafer
Auf Platz der beliebtesten Alternativen liegt der Haferdrink. Er ist in seiner Ökobilanz insgesamt gesehen der Winner. Mit 0,76kg CO2e pro Liter liegt er zwar noch etwas über Produkten aus Soja. Unschlagbar ist jedoch dieser Vorteil: Regionalität. Hafer wächst nahezu überall in Europa und zieht weder Regenwaldabholzung noch weite Transportwege nach sich. Ein weiterer Pluspunkt: pro Liter ist nicht einmal ein Viertel der Fläche nötig wie für Kuhmilch. Zudem braucht Hafer bei weitem keine so intensive Bewässerung wie Mandeln oder Reis: pro Liter Drink fallen 48l Wasser an.
Reis
Viertbeliebteste Alternative ist der Reisdrink. Europa ist jedoch keine Reiszentrale, der Löwenanteil deshalb wird nach wie vor in Asien angebaut. Deshalb legt er weitere Wege zurück, um in einen Pflanzendrink verwandelt zu werden. Dazu kommt: Reis wächst in mit Wasser gefluteten Feldern. Deshalb braucht es in der Herstellung für 1l Reisdrink durchschnittlich 270l Wasser. Die Alternative hat deshalb mit 0,94kg CO2e pro Liter zwar einen besseren Emissionswert als Kuhmilch, hat jedoch den höchsten Fußabdruck unter den Milchalternativen.
Kuhmilch
Kommen wir ans Eingemachte: zur Kuhmilch. Sie kommt, wie gesehen, im globalen Schnitt auf 2,7kg CO2e und 628l Wasserverbrauch. Was nach schlechten Nachrichten für Milchfreunde klingt, muss man jedoch auch hier differenzierter anschauen. Der Blick auf die Herstellung von Milch zeigt, dass sich die Werte verschieben, wenn regional hergestellt wird.
In Deutschland produzierte Kuhmilch braucht je nach Haltung zwischen 100 bis 400l Wasser und bewegt sich auf einem Wert von 1,3kg CO2e. Überraschend: Bio-Milch kommt auf 1,7kg. Der Grund dafür ist, dass die einzelne Bio-Kuh weniger Milch gibt als die konventionell gehaltene Kuh. Auch der Landverbrauch ist höher. Richtlinien für Bio-Produktion schreiben eine gewisse Fläche pro Tier vor. Zudem verzichten Bio-Landwirte auf Pestizide und brauchen daher durchschnittlich größere Flächen für denselben Ertrag verglichen mit konventionellen Betrieben.
Das alles führt unter dem Strich dazu, dass Bio-Milch mehr CO2e auf dem Buckel haben kann. Und trotzdem ist sie die bessere Wahl, weil die Belastung für die Umwelt insgesamt geringer ist. Pestizide kommen nicht zum Einsatz, die Bodenfruchtbarkeit kann nachhaltiger gestaltet werden und die Biodiversität ist besser aufgestellt. Hinzukommt laut Umweltbundesamt, dass nicht wie vielfach dargestellt die Kuh als Methan rülpsende Klimakillerin der größte Treiber ist, sondern in der konventionellen Milchherstellung ist es die Bereitstellung von Futtermitteln. Sie schlägt mit 18 bis 34% zu Buche, in der Bio-Produktion sind es nur 6 bis 20%.
Die beste Wahl ist Heumilch, im Idealfall in der Bio-Version. Kühe, die hohe Milchmengen liefern müssen, bekommen Kraftfutter. Und hier schließt sich der Kreis zur Sojabohne: darin ist oft Sojaschrot enthalten, für den mit großer Wahrscheinlichkeit Regenwald weichen musste und einen Überseetransport hinter sich hat. Fressen Kühe frisches Gras und Heu, ist das besser für das Klima.
Und jetzt? Dürfen wir noch Milch trinken?
Nach all den Zahlen ist das nun die Gretchenfrage. Dazu eine Rechnung: eine Person in Deutschland erzeugt täglich im Schnitt etwa 21,6kg CO2e (Stand Umweltbundesamt 2020). Ein Wechsel von Kuhmilch auf Haferdrink als umweltfreundlichste Milchalternative ergibt laut Berechnungen von Wissenschaftsjournalisten eine Ersparnis von 0,64kg. Über das Jahr gerechnet ist das sicher besser als nichts. Das Klima wird man damit jedoch nicht retten. Es gibt in dieser Frage daher kein Schwarz oder Weiß. Wer mit dem Wechsel von Kuhmilch auf Alternativen etwas für die Umwelt tun möchte, sollte sich informieren und – so wie im besten Fall jeder – auch andere Stellen im Alltag abklopfen, was man nachhaltiger gestalten kann.
So setzen Sie auf die “richtige Kuh”
Am wichtigsten scheint es, sich bewusst zu werden, was man kauft und das eigene Konsumverhalten auf den Prüfstand zu stellen. Dazu haben wir einige Tipps zusammengetragen für nachhaltigen Milchkonsum:
Setzte auf Hafer!
Wenn du auf eine Alternative wechseln möchtest, setze auf Hafermilch! Sie ist regional und hat die beste Ökobilanz unter den Alternativen.
Informiere dich!
Wenn es eine andere Milchalternative sein soll, achte auf die Herkunft und die Bedingungen, unter denen die Milchalternative hergestellt wird.
Kuhmilch? Setze auf gute Milch!
Bei Kuhmilch sind Heumilch oder Bio-Milch die beste Wahl.
Unterstütze nachhaltige Firmen!
Das gilt für smarte Startups wie Blue Farm, die nachhaltige Ideen umsetzen und z.B. Verpackung und damit weitere Emissionen einsparen, genauso wie für Molkereien, die sinnvolle Nachhaltigkeitskonzepte entwickeln.
Quellen:
Dr. Malte Rubach, Die Ökobilanz auf dem Teller. Wie wir mit unserem Essen das Klima schützen können, Stuttgart, 2020
Statista.com
Albert-Schweitzer-Stiftung
Ökotest
Quarks
Umweltbundesamt
Deutscher Kaffeeverband
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